Berlin (rad-net) - Die Verschiebung aller großen Rennveranstaltungen hat zu einem gut gefüllten Herbst für die Radprofis geführt, auf den die meisten von ihnen bereits ungeduldig warten. Im Interview mit dem «rbb» hat der deutsche Fahrer Roger Kluge von den Erwartungen an den neuen Rennkalender, sowie den Herausforderungen der wettkampffreien Zeit erzählt.
Der 34-Jährige vom Rennstall Lotto-Soudal, trainiert derzeitig zu Hause in Berlin, wo er die unerwartete Zeit mit seiner Familie genieße. «Aufstehen, frühstücken, Fahrrad fahren. Nachmittags haben wir mit unserer Tochter sehr viel Indoor gemacht, waren mal eine kleine Runde Rad fahren oder klettern auf dem Baum im Park», berichtet Kluge von seinem Alltag, der sich damit gar nicht stark verändert habe. Lediglich die lange Zeit zu Hause bei der Familie sei ein neuer alltäglicher Aspekt, der aber willkommen sei.
Die Möglichkeit, draußen zu trainieren, hebt der gebürtige Cottbuser wie viele seiner deutschen Kollegen positiv hervor. Zusätzlich sei das schöne Wetter der vergangenen Wochen ein Faktor, der die gute Laune erhalte und die Situation einfacher mache: «Wir hatten über Ostern schönes und warmes Wetter - da macht das Fahrradfahren dann natürlich auch Spaß.»
Zusätzlich habe die Erlaubnis des Outdoor-Trainings in Deutschland dazu geführt, dass Kluge seine Form beibehalten konnte: «Nach der Absage aller Rennen ging es erst einmal darum, die Form zu halten. Das ist mir aufgrund der guten Bedingungen sehr gut gelungen. Ich würde behaupten, dass ich auf einem wettkampffähigen Level bin.» Dabei sieht der Rennfahrer vor allem einen entscheidenden Vorteil der Radsportler: «In ein bis zwei Monaten bekommt man relativ schnell eine gute Form hin. Und die muss ja nur drei Monate halten, denn länger ist die Saison ja nicht mehr.»
Die Neujustierung und Neudatierung der verschobenen Rennen haben zu einem Motivationsschub geführt. «Erstmal ist es gut, dass wir eine Perspektive haben. Ein Ziel, auf das wir hinarbeiten können», evaluiert der Fahrer, der jedoch an dem geplanten Start der Wettbewerbe, besonders der Tour de France, zweifelt. «In Frankreich sind eigentlich erst ab dem 1. September wieder Großveranstaltungen erlaubt. Wir haben also einen groben Kalender, nach dem wir unser Training richten können. Ob die Rennen dann am Ende auch wirklich stattfinden werden, wissen wir immer noch nicht.»
Dabei betont Roger Kluge, dass er einen Start der Tour de France im Notfall auch ohne Zuschauer befürworten würde, oder erst mit der vierten Etappe in das Rennen zu starten und damit das Eröffnungswochenende ausfallen zu lassen. «Wir warten alle sehnsüchtig und wollen den Sport wieder im Fernsehen präsentieren. Auch für die Sponsoren ist es bitternötig, wieder präsent zu sein. [...] Aber die Tour bleibt die Tour. Das ist das Rennen mit der größten Aufmerksamkeit. Das ist das wichtigste für die Sponsoren, um den Sport und die Teams am Leben zu halten. Deswegen wäre es sehr wichtig, wenn die Tour stattfindet.»
Insgesamt sei die Sehnsucht nach den Rennen aber sehr groß, da die Saison der Fahrer normalerweise davon bestimmt sei, sich im Winter vorzubereiten und dann von Event zu Event zu reisen. Deshalb spiele es auch keine große Rolle welche Wettbewerbe möglich wären: «Vielleicht haben wir auch schon das Glück, dass wir unterhalb der WorldTour-Kategorie schon im Juli Rennen fahren können. Das wäre schön, wenn das in irgendwelchen Ländern möglich ist. Aber egal wo und wie: Wir wollen wieder Rennen fahren, uns präsentieren und mit anderen messen.»
Durch die Neuordnung der verbliebenen Saison müssen die Profis neu auf die Wettbewerbe verteilt werden, sodass es kaum sichere Zusagen für einzelne Fahrer gibt, doch für das wichtigste Rennen der Saison ist sich Roger Kluge sicher: «Mein Start bei der Tour de France wird aber sicherlich bleiben.»
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