Innsbruck (dpa) - Der Weg zum Titel bei der Rad-WM in Innsbruck führt durch die «Höll». Der so benannte steile Final-Anstieg bildet beim Straßenrennen am 30. September mit bis zu 28 Prozent Steigung das I-Tüpfelchen auf dem wahrscheinlich schwersten WM-Kurs seit 1980 in Sallanches.
«Die Strecke ist brutal», sagte der vielleicht chancenreichste deutsche WM-Starter Maximilian Schachmann, der in Tirol drei Auftritte plant. Die WM-Bilanz des Bundes Deutscher Radfahrer von 2017 ist mit einmal Silber leicht zu toppen.
Zum Auftakt der Titelkämpfe am Sonntag startet Schachmann mit seinem Team Quick-Step im Mannschafts-Zeitfahren, danach am Mittwoch an der Seite des viermaligen Champions Tony Martin im Einzelzeitfahren und zum Abschluss im Straßenrennen. Am WM-Finaltag soll sich der Berliner die Kapitänsrolle in der sechsköpfigen deutschen Nationalmannschaft mit seinem zukünftigen Bora-hansgrohe-Teamkollegen Emanuel Buchmann teilen. Die einheimischen Sprintstars Marcel Kittel, André Greipel und John Degenkolb hatten angesichts des schwierigen Kurses dankend auf eine Teilnahme verzichtet.
Im Teamzeitfahren will Schachmann auf's Podium, im Solo gegen die Uhr «will ich mich zeigen», sagte er bescheiden. Der 24-Jährige gilt aus deutscher Sicht als Senkrechtstarter der Saison und holte zuletzt Bronze bei der Zeitfahr-EM in Glasgow. Schachmann rechnet im Kampf gegen die Uhr über 52,5 Kilometer vage mit Medaillenchancen. «Giro- und Toursieger Froome und Thomas fehlen ja, die auf dem Kurs sicher gut zurecht gekommen wären», sagte Schachmann und wollte sich damit Mut machen.
Seinen nach dem Wirbelbruch bei der Tour wieder genesenen 33 Jahre alten Landsmann Martin schätzt er stark ein: «An guten Tagen ist ihm alles zuzutrauen». Er rechnet weiter vor: «Dann sind da noch Titelverteidiger Tom Dumoulin und Rohan Dennis, der beide Zeitfahren der Vuelta gewann».
Im Straßenrennen über 258,5 Kilometer, in dem Deutschland seit 1966 auf einen Nachfolger des vor zwei Jahren verstorbenen Rudi Altig wartet, sieht Schachmann andere Nationen klar im Vorteil: Frankreich mit Julian Alaphilippe, Italien mit Vincenzo Nibali, Spanien mit Alejandro Valverde oder Großbritannien mit Vuelta-Sieger Simon Yates. Ein Fragezeichen steht hinter dem Dreifach-Champion Peter Sagan. Laut Teamchef Ralph Denk ist sein Superstar mit rund 80 Kilogramm zwar «zu schwer» für den Höllenkurs, «aber bei ihm weiß man nie».
Schachmann träumt von einem Szenario wie beim Frühjahrs-Klassiker Flèche Wallonne, bei dem er auf der gefürchteten Mauer von Huy lange in Führung lag, bis er im letzten Augenblick Platz für seinen Kapitän Alaphilippe machte. «Noch einmal so ein Moment und dann durchziehen - das wäre fantastisch. Aber wahrscheinlich ist das Rennen eine Nummer zu groß», meinte der deutsche Rundfahrt-Hoffnungsträger, der 2019 sein Tour-de-France-Debüt plant.
Im Vorjahr musste der BDR bei der WM in Bergen mit der Silbermedaille durch Lennard Kämna zufrieden sein. Nach Gold im Teamzeitfahren mit Sunweb fuhr er im U23-Straßenrennen auf Rang zwei. Der hoffnungsvolle Jungprofi steht auch 2018 wieder im WM-Aufgebot. Kämna bestreitet das U23-Einzelzeitfahren am Montag und dann am kommenden Freitag das Straßenrennen der U23-Klasse.
Bei den Frauen rechnen sich die Ex-Weltmeisterinnen Lisa Brennauer (Kempten) und Trixi Worrack (Cottbus), die als EM-Dritte überraschte, Chancen im Kampf gegen die Uhr aus. Die 36 Jahre alte Cottbuserin bestreitet nach ihrer Premiere 1998 als Juniorin ihre 21. WM in Folge. Beide starten auch im Straßenrennen.