Erlangen (dpa/rad-net) - Nils Politt brauchte nicht viele Worte, um sein Erfolgsrezept zu formulieren.
«Ist der Kopf frei, sind auch die Beine frei», sagte der 27 Jahre alte Radprofi aus Köln, nachdem er als Solist seinen Sieg auf der dritte Etappe der Deutschland-Tour eingefahren hatte und durch diesen auch ins Rote Trikot des Gesamtführenden geschlüpft war. Rund sieben Wochen nach seinem Etappensieg bei der Tour de France darf Politt nun vom Gesamtsieg bei der heimischen Rundfahrt träumen.
Mit weit ausgebreiteten Armen und einem kräftigen Klopfer auf die Brust war Politt nach 193,8 Kilometern von Ilmenau nach Erlangen über den Zielstrich gefahren - elf Sekunden vor dem Belgier Dylan Teuns (Bahrain-Victorious), mit dem er sich kurz nach dem letzten Zwischensprint des Tages abgesetzt hatte - und den er wenig später abschütteln konnte. «Ich habe kaum nach hinten geguckt. Erst 500 Meter vor dem Ziel habe ich gesehen, dass noch eine relativ große Lücke da ist und habe dann die Meute gesehen. Aber da wusste ich schon, dass es reichen wird», bilanzierte Politt.
Mit seinem Ausreißercoup verdrängte der Bora-hansgrohe-Profi seinen Teamkollegen Pascal Ackermann an der Spitze der Gesamtwertung. Bereits 2018 in Stuttgart konnte Politt als Ausreißer einen Tagesabschnitt der Deutschland-Tour gewinnen. «Eigentlich wollte ich um die Bonus-Sekunden sprinten. Auf einmal war dann die Lücke da und dann war ich auf einmal weg mit Dylan. Ich bin natürlich superhappy, meine zweite Etappe bei der Deutschland-Tour zu gewinnen», sagte Politt dem ZDF.
Altmeister André Greipel (Israel Start-Up Nation) sprintete vor Ackermann auf Platz drei. John Degenkolb (Deutschland) wurde Fünfter, gefolgt vom britischen Tour-de-France-Rekordetappensieger Mark Cavendish (Deceuninck-Quick Step). «Zwei Etappen haben wir mit Pascal und mir jetzt gewonnen, das ist natürlich ganz gut. Wir müssen es morgen irgendwie versuchen, nach Hause bringen», sagte Politt, der vor dem Schlusstag mit acht Sekunden vor Ackermann führt. Dritter ist zehn Sekunden zurück Phil Bauhaus (Bahrain-Victorious).
Vor allem der Tour-de-France-Vierte von 2019, Emanuel Buchmann, hatte bei teilweise strömenden Regen bei der Nachführarbeit bei der Jagd nach den vier Ausreißern Henri Uhlig (Deutschland), Bert de Backer (B&B Hotels-KTM) und Abram Stockman (SKS-Sauerland NRW) sowie Julian Lino (Bike Aid) dafür gesorgt, dass der Bora-Rennstall im Finale sowohl die Karte Politt oder Ackermann für einen Sprint spielen konnte - letztlich mit dem besseren Ende für den Kölner. «Das Trikot ist bei uns im Team geblieben und die Situation für uns besser als vorher, weil wir mit Nils jetzt einen Zeitvorsprung auf die ganzen Bergfahrer haben. Er muss morgen eigentlich nur mit den Bergfahrern ankommen, dann hat er fast schon gewonnen», sagte Ackermann.
«Morgen können wir alle Karten spielen. Wenn es zum Sprint kommt, haben wir ja noch Pascal», sagte Politt mit Blick auf Sonntag in Nürnberg, wo die finale Entscheidung der im Vorjahr wegen der Corona-Pandemie nicht ausgetragenen Deutschland-Tour fällt. In der fränkischen Metropole endet nach 156,3 Kilometern die zuvor in Erlangen gestartete vierte Etappe. Viele ruppige Steigungen durch die Fränkische Schweiz warten dann auf Politt und seine Mitstreiter. Insgesamt haben die Radprofis dann 720,5 Kilometer vom Start in Stralsund zurückgelegt.