Ponferrada (dpa) - Lisa Brennauer überlegte einige Sekunden, dann schoss es aus ihr heraus. «Doch, ich gehöre zur Weltspitze. Ich glaube, das darf ich jetzt sagen, ohne dass es arrogant klingt», sagte die 26-jährige Allgäuerin.
Arrogant klang es nun wirklich nicht. Mit ihrer neuen Rolle als Vorzeige-Gesicht im deutschen Frauen-Radsport muss sich Brennauer aber erst noch anfreunden.
Vor gut einer Woche war sie nur den Kennern der Branche ein Begriff, bei den Straßenrad-Weltmeisterschaften in Ponferrada startete sie aber durch. Und wie! Weltmeisterin im Mannschafts- und Einzelzeitfahren, und zur Krönung holte die Sportsoldatin auch noch Silber im Straßenrennen. «Das war meine Woche», betonte Brennauer.
Zwei Jahre nach dem Abschied von Ausnahmefahrerin Judith Arndt hat die deutsche Meisterin eine riesige Lücke geschlossen, auch wenn sie davon gar nichts wissen möchte. «Judith war in gewisser Weise ein Vorbild für mich. Ich habe auf sie aufgeschaut, auch wenn ich nie so viele Rennen gewinnen werde wie sie», betonte Brennauer.
In Sachen WM bewegt sie sich aber auf den Spuren ihrer großen Vorgängerin. Gold und Silber in den beiden Einzelwettbewerben war auch Arndt 2004 bei den Titelkämpfen in Italien geglückt. Übertroffen wird die Ausbeute nur noch von «Grande Dame» Jeannie Longo, die 1995 als bisher einzige Fahrerin beide Titel abräumte.
Vergleiche mit Arndt lassen sich aber nur schwer anstellen. Im Gegensatz zu der oft unnahbar wirkenden Arndt tritt Brennauer erfrischend sympathisch auf. Auch in der Fahrweise gibt es deutliche Unterschiede. Arndt kam besser über die Berge und holte viele Siege als Solistin, Brennauer ist eine starke Sprinterin. Wäre sie im Finale des Straßenrennens nicht eingeklemmt worden, hätte sie wohl anstelle der Französin Pauline Ferrand Prevot den Sieg geholt. «Ich hatte wohl die höchste Endgeschwindigkeit, aber ich war schon am Limit», analysierte sie das Rennen.
In Höchstgeschwindigkeit ist Brennauer auch in diesem Jahr in die Weltspitze vorgedrungen. «Ich habe angefangen, Radrennen zu gewinnen. Erst waren es ein paar Zeitfahren, dann habe ich mal Marianne Vos im Sprint geschlagen», spricht Brennauer über ihren Karrieresprung. Die Niederländerin Vos, die seit 2006 ununterbrochen auf dem WM-Podium stand, war gegen den kraftvollen Tritt Brennauers ebenfalls chancenlos.
Sie habe sich körperlich verändert und ihr Rennprogramm umgestellt. «Letztes Jahr war ich bei der WM platt und musste mir was überlegen», sagte Brennauer, die im Zeitfahren 2013 Elfte war und im Straßenrennen ausstieg. Mit ihrem Sportlichen Leiter Ronny Lauke und Trainer Andreas Lang gelang die Umstellung. Nach ihrer WM-Erfolgsstory zählt sie zu den großen Medaillenkandidaten für Olympia 2016 in Rio. «Eine Medaille im Zeitfahren ist mein großes Ziel. Ich muss die Zeit nutzen.»
Bis dahin wird sie weiter für den amerikanischen Rennstall Specialized-Lululemon fahren, mit dem Team einigte sie sich auf einen Zweijahresvertrag. Und nebenbei ist Brennauer auch noch Feldwebel am Bundeswehr-Standort Todtnau bei Freiburg. «Das Zusammenspiel funktioniert ganz gut. Wenn die Saison vorbei ist, werde ich wieder zu Lehrgängen eingesetzt.» Demnächst dann als Weltmeisterin Lisa.
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