Pau (dpa) - Wenn Daniel Teklehaimanot im Gepunkteten Trikot die Berge hochklettert, sind in Eritrea die Kinosäle überfüllt. Die Tour de France steht auf dem Programm und das Rennen hat die Menschen in dem kleinen ostafrikanischen Land längst in Ekstase versetzt.
Schließlich erobern die ersten Schwarzafrikaner die Tour. Und wie! Teklehaimanot fährt seit vergangener Woche im Bergtrikot, was zu Autokorsos auf den Straßen in der Hauptstadt Asmara geführt hat. Sein Landsmann Merhawi Kudus ist mit 21 Jahren der jüngste Fahrer im Peloton. Begleitet werden die Beiden von einer Fangemeinde aus Eritrea, die im Zielbereich für Stimmung sorgt.
Exoten im Tour-Peloton sind sie, die zwei Männer vom Team MTN-Qhubeka. Allerdings Exoten mit großem Potenzial. Der fünfmalige Toursieger Bernard Hinault glaubt schon in naher Zukunft an den ersten Toursieger aus Afrika und steht mit seiner Meinung nicht alleine da. Für Spitzenreiter Christopher Froome sind Athleten aus Ostafrika «die besten Ausdauersportler der Welt». Es werde nicht mehr lange dauern, bis die Ergebnisse kommen.
Froome, der «weiße Kenianer» muss es wissen, schließlich ist er in dem Gebiet aufgewachsen. In der Leichtathletik dominieren die Afrikaner längst auf den Langstrecken. Im Radsport ist die Entwicklung schwieriger. Es fehlt an Rennrädern, an der Ausrüstung, an den Straßen.
Damit sich der Zustand ändert, hat sich das Team MTN-Qhubeka formiert. Die südafrikanische Mannschaft ist erstmals bei der Tour vertreten und will gleichzeitig eine Mission erfüllen. Hinter Qhubeka, was «Fortschritt» heißt, steckt eine Organisation, die arme Menschen in Afrika mit Fahrrädern ausstatten will. Auf diese Weise sind schon über 200.000 Drahtesel zusammengekommen. Bei der Tour wollen sie 5000 Räder für Kinder sammeln, die in ihrer Heimat mitunter einen Fußmarsch von 20 Kilometern zur Schule zurücklegen müssen.
Für Struktur sorgt in der Mannschaft der deutsche Sportdirektor Jens Zemke. Als Teklehaimanot ins Gepunkte Trikot gefahren war, habe er «feuchte Augen» bekommen. «Für den afrikanischen Kontinent ist das hier ein großer Augenblick», sagt Ex-Profi Zemke. Erst recht, seit die Fahrer auch für sportliche Schlagzeilen kommt.
Eritrea ist dabei so etwas wie der Vorreiter in Sachen Radsport. Im 19. Jahrhundert brachten die italienische Kolonialherren Fahrräder ins Land. Es existiert sogar seit 1946 ein Radrennen, der Primo Giro dell'Eritrea, benannt nach dem Giro d'Italia. «Es gibt viele Radfahrer in Eritrea, die Menschen lieben es. Es ist der Volkssport Nummer eins», berichtet Teklehaimanot.
Er habe mit 16 erstmals die Tour de France im Fernsehen gesehen. «Seitdem träumte ich davon, dies irgendwann auch zu schaffen.» Inzwischen hat er es geschafft. In seiner Heimat ist er ein Volksheld, vor seinem Tour-Start war er mit Kudus beim Staatspräsidenten Isayas Afewerki eingeladen. Schließlich hatte Teklehaimanot gerade erst das Bergtrikot bei der Dauphine-Rundfahrt gewonnen - gegen Stars wie Froome oder Toursieger Vincenzo Nibali.
Es war ein beschwerlicher Weg für Teklehaimanot in den Radsport, häufig hatte er mit Visa-Problemen zu kämpfen. 2010 bekam er bei Cervelo eine Chance, doch das Team wurde geschlossen. Danach wurde er im Trainingszentrum des Weltverbandes UCI in Aigle gefördert.
Umso wichtiger ist MTN-Qhubeka, das mit fünf Afrikanern angetreten ist. Es sind nicht die ersten Erfolge von Fahrern des Schwarzen Kontinents. 2007 holte Robert Hunter (Südafrika) den ersten Etappensieg, 2013 trug Daryl Impey (Südafrika) das erste Gelbe Trikot. Beide haben allerdings weiße Hautfarbe, wie auch Froome, der in Kenia geboren wurde und für Großbritannien startet.
Doch jetzt kommen die Schwarzafrikaner und MTN-Teammanager Brian Smith prophezeit: «Es benötigt nur einen Fahrer, der den Durchbruch schafft. Dann wissen die anderen, dass sie es auch können.» Vielleicht ist dieser Wegbereiter Teklehaimanot.