Brüssel (dpa) - Emanuel Buchmann verschwand mit einer blutigen Lippe und einem aufgeschlagenen Knie sichtlich bedient in den Teambus. Schon der Auftakt der 106. Tour de France entwickelte sich für die deutsche Rundfahrt-Hoffnung in Brüssel zu einer schmerzhaften Angelegenheit.
«Es sollte nichts Schlimmeres passiert sein. Wir waren schnell unterwegs, vor dem Sturz habe ich mich eigentlich gut gefühlt», sagte Buchmann und gab nach den ersten 194,5 Kilometern der Frankreich-Rundfahrt Entwarnung.
Doch die Stimmung beim deutschen Bora-hansgrohe-Team war «nicht gut», wie Teamchef Ralph Denk durchblicken ließ. Nicht nur wegen des Sturzes des Klassementfahrers, auch der um Zentimeter verpasste Etappensieg von Ex-Weltmeister Peter Sagan sorgte für Verdruss. «Peter war nicht gut genug. Wenn man so knapp verliert, ärgert man sich natürlich», sagte Denk. «Ich bin nicht frustriert. So ist es halt bei der Tour», sagte Sagan.
Anstelle des Slowaken durfte der niederländische Außenseiter Mike Teunissen als Tagessieger das erste Gelbe Trikot bei der Siegerehrung im Beisein von Radsport-Legende Eddy Merckx in Empfang nehmen. Dabei war Teunissen, für den es nach eigenen Worten «ein seltsamer Tag» war, eigentlich nur als Anfahrer für Dylan Groenewegen gedacht. Doch der Sprintstar aus dem Team von Tony Martin verursachte 1,3 Kilometer vor dem Ziel den Sturz, in den auch Buchmann verwickelt wurde.
«Ich war direkt dahinter, aber ich habe es noch auf einem Rad geschafft», berichtete der deutsche Meister Maximilian Schachmann. Vorjahressieger Geraint Thomas kam auf dem ersten Teilstück der 3480 Kilometer langen Reise dagegen ebenfalls kurz vor Ende zu Fall, konnte aber ohne Probleme ins Ziel fahren.
Es war nicht der einzige Sturz beim hektischen Auftakt, der von hunderttausenden Fans am Straßenrand begleitet wurde. Auch Mitfavorit Jakob Fuglsang war vorher schon zu Boden gegangen. Mit blutigen Wunden schaffte es der Däne aber zurück ins Hauptfeld. Dabei war auch Tony Martin aufgehalten worden. «Es war klar, dass es wieder knallt», sagte der deutsche Profi Nils Politt, der heil ins Ziel kam.
Der Tour-Auftakt gestaltete sich zum riesigen Volksfest im radsportverrückten Belgien. Die Fans säumten den Straßenrand mitunter in Zehner-Reihen. Gefeiert wurde die Tour - und natürlich Radsport-Legende Merckx. Der 74-Jährige, der vor 50 Jahren den ersten seiner fünf Toursiege holte, wurde von den Landsleuten bereits beim Start auf der Place Royale mit «Eddy, Eddy»-Rufen begrüßt, bevor er im Wagen von Tour-Direktor Christian Prudhomme als Ehrengast Platz nahm.
Die deutsche Note kam beim Tour-Auftakt zu kurz, womit aber auch zu rechnen war. Die jahrelangen Sprinter-Festspiele sind in diesem Jahr zumindest unterbrochen. Deutschlands Rekord-Etappengewinner Marcel Kittel hat sich eine persönliche Auszeit genommen, der zweimalige Giro-Etappengewinner Pascal Ackermann und Klassiker-Spezialist John Degenkolb wurden nicht nominiert. Altstar André Greipel ist nach einer langwierigen Bakterien-Erkrankung aktuell kein Anwärter auf Tagessiege.
Schon am Sonntag dürfte das Gesamtklassement beim 27,6 Kilometer langen Mannschaftszeitfahren in Brüssel wieder umgeworfen werden. Dann kommt es auch zur ersten Standortbestimmung der favorisierten Fahrer. «Wir wollen den Abstand zum siegreichen Team so gering wie möglich halten. Eine Top-Sechs-Platzierung ist das Ziel», sagte Denk, der mit Buchmann einen Platz unter den besten Zehn anpeilt. Das hatte zuletzt Andreas Klöden vor zehn Jahren als Gesamtsechster geschafft.
Das erste Bergtrikot trägt der Olympiasieger. Für den Belgier Greg van Avermaet war es als Klassikerspezialist natürlich ein großes Bedürfnis, die nötigen Punkte an der Mauer von Geraardsbergen und dem Bosberg - zwei historische Anstiege in der Geschichte der Flandern-Rundfahrt - einzusammeln.
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