Berlin (dpa) - Sein Schlüsselbein wurde mehrmals zusammengeflickt. Und als Kristina Vogel 2018 so brutal stürzte, war er hautnah dabei und hielt auf der Betonpiste in Cottbus ihre Hand.
Gründe für ein Karriereende hatte der viermalige Bahnrad-Weltmeister Maximilian Levy eigentlich genug, doch gerade nach dem «einscheidenden Moment» mit der seitdem querschnittsgelähmten Vogel waren Gedanken ans Aufhören verflogen. «Ich wollte Kristina das nicht aufbürden, nach dem Sturz zu sagen: Ich höre auf. Dann heißt es: Er hat aufgehört wegen des Sturzes. Das kam in dem Moment nicht in Frage. Auch dafür wollte ich aufstehen und weitermachen», berichtet Levy.
Aus sportlicher Sicht eine gute Entscheidung, denn Levy ist im fortgeschrittenen Sprinter-Alter so gut wie lange nicht. Erst beim Berliner Sechstagerennen im Januar fuhr er die schnellste fliegende Runde seiner Karriere. «Mit 32 Jahren Fortschritte zu machen, ist unnormal», sagt der gebürtige Berliner und darf sich bei seinem WM-Heimspiel gerade in seiner Spezialdisziplin Keirin Hoffnungen auf eine Medaille machen. «Die Älteren sind momentan die Leistungsträger wie etwa Levy, der eine stabile und gute Saison fährt», lobt Bundestrainer Detlef Uibel.
Die neue Stärke führt Levy auch auf seine Grenzerfahrung beim Triathlon zurück. Wo seine Wettkämpfe gewöhnlich nur wenige Sekunden dauern, absolvierte der dreifache Familienvater im Sommer vergangenen Jahres einen Ironman in Frankfurt. Nach mehr als zwölf Stunden war Levy im Ziel. «Ich habe durch den Ironman eine andere Effektivität und ein anderes Schmerzempfinden im Training. Ich kenne keinen Schmerz mehr», sagt der Sprinter. Heute gebe es nur noch Vollgas.
Zum Ironman war er über seinen Freund und Hawaii-Champion Jan Frodeno gekommen. Acht Kilogramm hatte er dafür abgenommen, sich ein halbes Jahr speziell darauf vorbereitet. «Ich dachte, das kann gar nicht gehen», sagt Levy und widerlegte sich selbst. «Es geht auch darum: Wo ist deine Grenze? Ich habe sie zum Glück nicht gefunden. Ich habe mir beim Marathon geschworen, es nie wieder zu tun. Aber es juckt schon wieder.»
So ungewöhnlich sei sein Abstecher zum Triathlon aber gar nicht gewesen, denn er habe einen «Kühlschrank-Motor». Schon im Juniorenbereich wurden Levy gute Ausdauerwerte attestiert. «Ich hätte lieber die Tour de France gewonnen als Keirin-Weltmeister zu werden, aber das war mir nicht vergönnt. Das ist auch ok», sagt Levy. Vier WM-Titel auf der Bahn sind im Nachhinein keine so schlechte Ausbeute.
Nach dem Ironman sei die Lust auf den Bahnradsport zurückgekommen. «Ich bin den Tick entspannter, als ich es früher gewesen wäre. Damit bin ich bereit, das noch mal anzugehen», erzählt der Routinier, der seine vierten Olympischen Spiele in Angriff nimmt und noch einen Vertrag bis 2021 besitzt. Wenn er im Trainingslager in Kapstadt mal einen freien Nachmittag habe, fahre er auch mal zum Strand, während er in früheren Zeiten wie «ein Geisteskranker» trainiert habe.
Mit dieser Lockerheit will er in Berlin auf das Podest, möglichst nach ganz oben. So wie 2017, als er EM-Gold im Keirin gewann. «Ein Mega-Erlebnis» sei das gewesen. Damals hatten Levy und Vogel innerhalb weniger Minuten für zwei deutsche Triumphe gesorgt. Ein Jahr später musste Levy dann mitansehen, wie die Bahnradkarriere von Vogel auf so tragische Weise endete. «Meine Frau hatte mir an dem Tag erzählen wollen, dass sie das dritte Mal schwanger ist, was sie dann verschoben hat. Das ist ein brutaler Moment», erinnert sich Levy.
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