Saint-Dié-des-Vosges (rad-net) - Mit dem Start der Tour de France Femmes am vergangenen Sonntag hat der Frauenradsport einen weiteren Schritt ins Sachen Fortschritt und öffentliche Anerkennung gemacht. Allerdings hat das Fehlen eines Zeitfahrens bei der Frankreich-Rundfahrt der Frauen nun für Kritik seitens einiger Fahrerinnen gesorgt.
«Als Zeitfahrerin hätte ich natürlich gerne eines», erklärte die Weltmeisterin Ellen van Dijk (Trek-Segafredo) gegenüber «Cyclingnews». «Aber ich denke auch, dass jeder zustimmen kann, dass es bei großen Rundfahrten normalerweise ein Zeitfahren gibt, und das haben wir nicht - nicht bei der Vuelta, nicht beim Giro, nicht bei der Tour, nicht bei fast allen WorldTour-Rennen.»
Tatsächlich stehen in der aktuellen Saison der Women's WorldTour nur zwei Zeitfahren auf dem Rennprogramm. Zum einen das Auftaktzeitfahren beim Giro d'Italia Donne und zum anderen ein 17,8 Kilometer langer Kampf gegen die Uhr bei der Simac Tour. Bereits im Juni hatten Van Dijk, Lisa Brennauer (Ceratizit-WNT), Annemiek van Vleuten (Movistar), Marlen Reusser (SD Worx) und Joss Lowden (Uno-X) öffentlich auf diese Schwäche des Rennkalenders der Frauen hingewiesen. «Wir haben etwas auf Twitter gestartet, um Aufmerksamkeit zu bitten, denn ich denke, es ist nicht wirklich normal, dass es kein WorldTour-Rennen mit einem echten Zeitfahren gibt», erklärte Van Dijk zu der Kampagne. «Ich denke, wenn man ein komplettes Gesamtklassement und eine Etappe für alle haben will, dann gehört das in eine Tour. Man hat Sprintetappen, mittelschwere Etappen, Bergetappen und Zeitfahren. Wenn man ein komplettes Bild haben will, muss das ein Teil davon sein.»
Auch die frühere Stundenweltrekordhalterin, Joss Lowden, machte ihrer Enttäuschung über das Fernblieben eines Zeitfahrens Luft. Sie hoffe aber darauf, dass diese Disziplin bei künftigen Ausgaben der Tour de France Femmes Beachtung finde: «Mir ist auch klar, dass dies die erste Ausgabe der Tour de France Femmes ist und man nicht alles auf Anhieb machen kann. Es ist also ein guter Start, aber hoffentlich sehen wir hier nächstes Jahr ein Zeitfahren.» Insgesamt sei es einfach schade, das vorhandene Equipment für das Zeitfahren und die Fähigkeiten der Profis nur so selten zeigen zu können, so Lowden weiter: «Wenn man sich die WorldTour-Teams ansieht, dann haben sie Zeitfahr-Räder. Wir können ein Zeitfahren fahren, absolut, und ich denke, dass es im Moment eine Lücke in den WorldTour-Rennen gibt. Wenn wir aber keine Zeitfahren haben, wann können wir dann die ganze Energie, die wir als Teams, als Fahrerinnen und Mitarbeiter, als Sponsoren und Ausrüster hineingesteckt haben, präsentieren?»
Die Silbermedaillengewinnerin der Olympischen Spiele, Marlen Reusser, konnte am Mittwoch die vierte Etappe der Rundfahrt gewinnen, nachdem sie 23 Kilometer allein attackiert hatte. Im Anschluss an das Rennen erklärte aber auch sie, dass der Sieg kein Ersatz für das fehlende Zeitfahren sei: «Ich bedauere immer noch, dass es kein Zeitfahren gibt. Heute war es wie ein Zeitfahren, aber man kann nicht sagen, dass es nach so einem langen Rennen dasselbe ist. Die Beine fühlen sich nicht so an, wie wenn man sich speziell auf ein Zeitfahren vorbereitet, es war eine andere Disziplin.»