Berlin (dpa) - Der noch nicht vollzogene Wechsel von Jan Ullrich zum Essener Coast-Team sorgt weiter für erhebliche Turbulenzen. Einen Tag bevor der Radsport-Weltverband UCI in Aigle/Schweiz mit den Beratungen über die Zukunf weisende Erstliga-Zugehörigkeit des Coast- Teams beginnt, droht ein ehemaliger Fahrer der Essener Mannschaft mit einem Prozess.
Der Schweizer Mauro Gianetti fordert von Coast 179.750 Euro. Diese Summe sei in einem Mahnverfahren vor dem Amtsgericht Berlin-Schöneberg festgestellt worden, erklärte Gianetti-Anwalt Thomas Heiske aus Schermbeck. Die bis Freitag vorliegende UCI-Entscheidung hat maßgeblichen Einfluss auf die für angeblich sieben Millionen Euro bevorstehende Verpflichtung von Olympiasieger Ullrich. Ohne GS I-Status, der auch das Startrecht bei großen Rennen regelt, stünde Coast vor dem Aus. Andererseits stünde einer Unterschrift Ullrichs unter einen Vertrag mit dem Rennstall bei Erhalt der Lizenz wohl nichts mehr im Weg.
«Es geht um die Klauseln des leistungsbezogenen Vertrages. Sie waren an die Weltranglisten-Punkte gekoppelt, die die Fahrer erreichen. Gianetti blieb weit unter den Vorgaben», sagte dazu Coast-Sprecher Marcel Wüst auf dpa-Anfrage. Laut Heiske werde sein Mandant Gianetti, der inzwischen nicht mehr aktiv ist, eine Zivilklage in Duisburg anstrengen, um an sein Geld zu kommen.
Der Schweizer Vize-Weltmeister von 1996 ist einer von drei Radprofis, die Coast, bei der kommenden Tour de France zum ersten Mal starberechtigt, verlassen haben. Ob auch Lars Michaelsen und Frank Hoy (Dänemark), die ebenfalls noch finanzielle Forderungen haben sollen, ähnliche Klagen anstrengen wollen, ist nicht bekannt.
Michaelsen, inzwischen beim ursprünglichen Ullrich-Wunschteam CSC unter Vertrag, erklärte im dänischen Fernsehen: «Wir hatten in der ganzen Saison Probleme mit dem Gehalt. Zunächst habe ich mich auf meinen Sport konzentriert und meinen Anwalt um die Sache kümmern lassen. Aber so geht es nun seit März und es ist unglaublich, dass Coast jetzt auch noch Ullrich holen will. Ich hoffe, die UCI verhindert das.»
Der wegen Dopings noch bis 23. März 2003 gesperrte Ullrich und sein Management sahen sich am Wochenende mit weiteren Vorwürfen aus Dänemark konfrontiert, nachdem der Wechsel zum Bjarne Riis-Team CSC geplatzt war. Ullrich sei es nur um «seine Schecks» gegangen und Coast betreibe unseriöse Geschäftspraktiken, hatte Ole Egeblad, der europäische Sponsoring-Chef des Computer-Unternehmens CSC in Dänemark erklärt. Im Ullrich-Lager sei nicht klar gewesen, wer die Entscheidungen treffe, «er selber, sein Manager oder sein persönlicher Sport-Direktor».
Damit war wahrscheinlich der ehemalige Telekom-Teamchef Rudy Pevenage gemeint, der einen Tag vor Silvester die Bonner Hals über Kopf verließ, um Ullrich zu folgen. Sein plötzlicher Abgang schlug noch hohe Wellen. Manager Walter Godefroot machte auf der Telekom-Internetseite klar, dass «Telekom nie ein Team Pevenage» war und wiederholte noch einmal den Vorwurf, dass sich sein Landsmann nicht an mündliche Absprachen gehalten habe, zu bleiben. Auch ohne Ullrich und Pevenage wolle das Zabel-Team 2003 bei den Frühjahrs-Klassikern und der Tour de France für Furore sorgen, sagte Godefroot.