Berlin (dpa) - Der glückliche Alexander Winokurow und Matthias Kessler lagen sich in den Armen. Nach dem großen Sieg des Olympia-Zweiten von Sydney flossen in Lüttich Tränen.
Das Management blieb am Tag danach betont cool. «Wir waren vorher nicht panisch und sind jetzt nicht euphorisch», sagte Christian Frommert, der neue Kommunikationschef im T-Mobile-Team, das neun bittere Wochen seit Saisonstart auf den ersten Sieg warten musste.
Vergleichbar behäbig waren die Bonner zuletzt 1992 aus den Startblöcken gekommen, als das Team noch Telekom hieß und mit weniger als der Hälfte des jetzigen Etats wirtschaftete. Winokurow erlöste die Wartenden mit seinem Erfolg bei der 91. Auflage von Lüttich-Bastogne-Lüttich, dem ältesten und wohl schwersten aller Klassiker.
«Wir waren ja nicht wie die Medien, die jedes Rennen einzeln gezählt haben. Aber natürlich hatte der Sieg gestern eine große Bedeutung, zumal wir dieses Rennen, auch nicht zu Telekom-Zeiten, noch nie gewinnen konnten. Es war schon eine Erleichterung», sagte Ex-Profi Olaf Ludwig, der das Team-Management aus den Händen des alt gedienten Walter Godefroot übernahm, der sich zum Jahresende zurückziehen wird.
Vor elf Jahren hatte Ludwig als Fahrer einmal mehr Großes geleistet, als er am 1. Mai das Frankfurter Rennen «Rund um den Henninger Turm» gewann und damit eine ähnlich lange Durststrecke ohne Sieg für das Team beendet hatte. Ohne diesen Prestige trächtigen Erfolg von 1994 hätte es möglicherweise keine Telekom-Zukunft im Profi-Radsport gegeben.
Mit dem wichtigen Sieg im Rücken sitzt der deutsche Branchenführer wesentlich bequemer im Sattel. Keine schlechten Voraussetzungen für die Heimspiel-Neuauflage in Frankfurt. Aber Ludwig warnt: «Ihr müsst gewinnen, sagen alle. Eine ähnliche Situation hatte das Rabobank-Team vor 14 Tagen beim Amstel Gold Race in Maastricht - und ist gescheitert.»
Am Tag der Arbeit soll am besten Erik Zabel, der «Rund um den Henninger Turm» schon zwei Mal gewann, Winokurow folgen und die neue T-Mobile-Erfolgsstory weiter schreiben. Die gänzlich ungewohnte Erfolglosigkeit des Berliners, der sich im Oktober das Fersenbein brach, war mit ein Grund für den schlechten Saisonstart der Bonner. Fast ein Jahrzehnt lang hatte besonders im Frühjahr immer wieder Zabel die Kohlen aus dem Feuer geholt.
«Wir haben auch ohne Ullrich und Klöden verschiedene Optionen mit Zabel, Winokurow und Kessler - je nachdem wie das Rennen läuft», betonte Ludwig, auf den nach dem Heimspiel in Frankfurt Vertragverhandlungen zukommen. Die prominentesten Personalien sind dabei der frisch gekürte Sieger Winokurow und Vize-Weltmeister Zabel, der am Henninger Turm weitere Argumente sammeln könnte.