Paris (dpa) - Ein Fahrer der alten Garde ist das Aushängeschild der «neuen» Tour de France. Der 33-jährige Carlos Sastre hat sich damit «den Traum meines Lebens» erfüllt.
Das gab der Spanier nach der Verteidigung seiner Spitzenposition in der von ihm ungeliebten Disziplin des Zeitfahrens mit ernster Miene zu Protokoll. Bis auf den Tour-Gipfel war es ein steiniger Weg für den spanischen Kletter-Spezialisten aus dem übermächtigen CSC-Saxo-Team, das in drei von fünf Klassements den Sieger stellte.
Seine Profi-Laufbahn begann Sastre, der in seiner Karriere noch nie positiv getestet wurde, beim Once-Team des in der Fuentes-Afffäre aktenkundig gewordenen Manolo Saiz als Diener der Herren Laurent Jalabert und Joseba Beloki. Nachdem er zu Bjarne Riis gewechselt war, verdingte sich der 60 Kilogramm leichte Madrilene, in Spanien «Don Limpio» (Herr Saubermann) genannt, als Edelhelfer von Ivan Basso, dessen Doping-Sperre im Oktober abläuft.
Erst im reifen Radfahrer-Alter hat sich Sastre freigestrampelt und zum derzeit besten Etappenfahrer der Welt gemausert. Nach Oscar Pereiro, der nach Floyd Landis' Überführung als Doper zum Toursieger 2006 erklärt wurde, und Alberto Contador ist Sastre der dritte Spanier auf dem Tour-Thron in Serie und der insgesamt siebte Spanier im Gelben Trikot in 105 Jahren Tour de France. «Einst hieß es, die Spanier fürchteten die Tour. Nun fürchtet die Tour die Spanier», titelte «El Mundo».
«Es gibt kein Geheimnis: Nur harte Arbeit, eine große Leidensfähigkeit und ein Topteam hinter mir, auf das ich mich immer verlassen konnte», sagte Sastre. Ihm reichte eine Sternstunde bei der Königsetappe nach L'Alpe d'Huez, um dem Topfavoriten Cadel Evans dessen Traum vom ersten Toursieg zu zerstören.
Auf Saiz, den die Polizei im Mai 2006 festnahm, als er sich mit dem Doping-Doktor Fuentes traf und einen Koffer mit 60 000 Euro dabei hatte, lässt er nichts kommen: «In Sachen Professionalität ist er allen anderen um zehn Jahre voraus.» Von ihm habe er alles gelernt. Manchmal telefoniert Sastre («Ich bin sauber») noch mit Saiz, der sich aus dem Radsport zurückgezogen hat. Nicht frei von einer gewissen Ironie gratulierte ihm sein ehemaliger Team-Kollege und Doping-Kronzeuge Jörg Jaksche zum Gelben Trikot: «Carlos ist ein sehr talentierter Fahrer.» Die Zeitung «Marca» schrieb: «Sastres Triumph kommt dem spanischen Radsport angesichts der stümperhaften Operación Puerto und anderer Dopingfälle zudem sehr gelegen.»
Anders als die im Frühjahr bereits erfolgreichen Tour-Favoriten hat Sastre, der bei der Frankreich-Rundfahrt 2006 bereits Dritter war und sich bislang insgesamt drei Tour-Etappensiege sicherte, in den ersten Saison-Monaten kein einziges Ausrufezeichen gesetzt. «Ich habe alles auf die Tour gesetzt und bin mit einer Motivation angetreten wie nie», sagte Sastre. Seine Rechnung ist aufgegangen.