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19.08.2004 11:55
Olympia: Die Technik der Bahn-Asse

Athen (rad-net) - In Athen werden die deutschen Rad-Asse mit dem besten Material antreten, das verfügbar ist. Während sich die Profis auf der Straße und beim Mountainbike auf die Ausrüstung verlassen, mit der sie das ganze Jahr für ihre Teams unterwegs sind, wurden für die Bahn-Asse des BDR zu Olympia spezielle Rennmaschinen gebaut. Die Sprinter werden von der französischen Radschmiede Look ausgerüstet, für die Verfolger um Robert Bartko ist das Berliner FES zuständig.

Wo bei normalen Rennrädern das gute, alte Lenkerband verhindert, dass schweißnasse Hände abrutschen, sorgt an den Lenker-Enden der neuesten Generation von Zeitfahrmaschinen aus dem Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) eine extra raue Oberfläche für Halt. Wie aus dem ansonsten aalglatten Carbon des Lenkers eine reibeisengleiche Rundung wird, wollen die Tüftler aus Berlin nicht verraten. Nur so viel lässt der stellvertretende FES-Direktor Michael Nitsch heraus: „Bei der Fertigung der Griffflächen spielt ein handelsübliches Produkt aus der Nahrungsmittel-Industrie eine nicht unbedeutende Rolle.“

Seitdem der Weltradsportverband UCI das Reglement für die Zeitfahrmaschinen ganz eng gefasst hat, müssen die FES-Ingenieure an Details wie diesen feilen, um deutschen Athleten technisch bedingte Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Große Revolutionen im Fahrradbau gibt es nicht mehr, seitdem vorgeschrieben ist, dass auch das High-Tech-Zweirad für die olympischen Bahnwettbewerbe im Prinzip wie ein ganz normales Rennrad auszusehen hat: Diamantrahmen, zwei gleich große Laufräder, ein Mindestgewicht von 6,8 Kilogramm und detaillierte Vorgaben zur Position des Fahrers auf dem Rad - das sind die Grundpfeiler des Reglements, das immer stärker verschärft worden ist, seitdem unter anderen der Schotte Graeme Obree in abenteuerlich anmutenden, aber aerodynamisch extrem günstigen Positionen Rekorde fuhr.

Diese Zeiten sind vorbei. Mittlerweile tüfteln diejenigen unter den insgesamt 50 FES-Mitarbeitern, die mit Radsport beschäftigt sind, daran, innerhalb der Regeln möglichst aerodynamische und leichte, aber immer noch genügend steife Fahrradrahmen zu entwickeln. Ihr Augenmerk liegt dabei auf den Details. Die Form der Rohre, das Material, Sattelstützen - der Fortschritt ist für Laien mit bloßem Auge kaum noch zu erkennen. Die Bahnmaschinen, auf denen im Jahr 2000 Robert Bartko, Guido Fulst, Jens Lehmann und Daniel Becke in Sydney Olympiagold in der 4000-Meter-Mannschaftsverfolgung holten, sind äußerlich kaum von denen zu unterscheiden, auf denen Robert Bartko und Co. in Athen um die olympischen Medaillen fahren wollen. Nur wer ganz genau hinschaut, kann den Fortschritt erkennen. Beispielsweise werden die Sättel anno 2004 von vier Schrauben auf der Sattelstütze gehalten – statt wie bisher von zwei. „So wird ein Herunterdrehen der Sattelspitze unmöglich. In der Vergangenheit hatten wir damit schon mal Probleme“, erklärt Michael Nitsch.

Wie futuristisch wirken dagegen die Ausstellungsstücke, die beim FES die Entwicklung der Rennmaschinen vom ersten Einsatz von Carbon in der DDR Ende der 80er-Jahre bis zum Höhepunkt der gestalterischen Freiheit Mitte der 90er-Jahre dokumentieren.

Beim FES ist man skeptisch, ob die UCI mit den strengen Vorgaben ihr Ziel erreicht, Athleten aus ärmeren Ländern annähernd Chancengleichheit zu verschaffen. „Der Aufwand, den man betreiben muss, um die Athleten mit dem bestmöglichen Material zu versorgen, ist nicht geringer geworden“, sagt Michael Nitsch. Denn auch wenn der Einfluss der Rennmaschine auf das Ergebnis absolut gesehen geringer geworden ist - bei zwei ansonsten gleich starken Athleten entscheidet am Ende das Material.

Allerdings nur dann, wenn es optimal auf jeden Fahrer individuell abgestimmt ist. „Wir sehen Mensch und Maschine immer als Einheit“, erklärt Nitsch, „Robert Bartko beispielsweise kommt mehrmals im Jahr zu uns und ist an der Entwicklung der Bahnmaschinen beteiligt.“

Dabei kommt eine Maschine zum Einsatz, an der so ziemlich alles verstellbar ist. Lenkervorbau, Rahmenlänge, Rahmenhöhe – das alles kann variiert werden, um die optimale Position eines Fahrers auf dem Rad zu ermitteln. Und danach wird den Athleten eine Rennmaschine maßgeschneidert.

Am Beginn eines neuen Olympiazyklus wird die Rahmenform am Computer entwickelt. Mit gängigen Ingenieurprogrammen werden die ersten Berechnungen in Sachen Aerodynamik, Steifigkeit und Gewicht erledigt. Steht der Entwurf, werden Prototypen in den FES-Werkstätten gebaut, getestet, variiert, bis pünktlich zur Olympiasaison die neuen Räder an die Fahrer ausgeliefert werden können.

In den Werkstätten des FES arbeiten 25 Menschen. Einer davon ist Steffen Bernhardt. Der 36-Jährige ist – wie die meisten Handwerker in der Kunststoff-Verarbeitung – beim FES gelernter Bootsbauer, weil die es am besten verstehen, mit Materialien wie Carbon umzugehen.

Kurz vor den Olympischen Spielen steckte er allerdings in einem ganz anderen Thema. Die Helme für die Verfolger mussten fertig werden. Wieder mal hatte eine Reglement-Änderung hektische Betriebsamkeit ausgelöst. Seit diesem Jahr dienen die tropfenförmigen Helme nicht mehr vor allem – wie bisher – der Aerodynamik, sondern müssen bei Stürzen echten Kopfschutz bieten. An die Olympiahelme stellt der TÜV die gleichen Anforderungen wie an Fahrradhelme, wie sie von Familienvätern auf dem täglichen Weg zur Arbeit getragen werden. Um die Sturzfestigkeit zu gewährleisten, arbeitet das FES mit den renommierten Helmherstellern von Uvex zusammen. „Wir fertigen hier die aerodynamische Außenhülle, Uvex hat das sicherheitsrelevante Innenleben zugeliefert“, erklärt Michael Nitsch.

Überhaupt klappt die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen aus der Fahrradtechnik. Die Komponenten der Bahnmaschinen kommen von Shimano, bei den Sätteln werden Produkte von Selle Italia verwendet. Und sogar an den Rädern der französischen Firma Look, die vor einigen Jahren das FES als Ausrüster der BDR-Sprinter abgelöst hat, finden sich FES-Innovationen. An die Zeitfahrmaschine von Look, mit der Stefan Nimke über 1000 Meter um Gold fahren will, ist ein FES-Zeitfahrlenker montiert – natürlich mit extra rauen Lenker-Enden.

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