Berlin (dpa) - Dem deutschen Radsport droht der vorzeitige Rückzug des letzten noch verbliebenen Elite-Rennstalls Milram.
Eine Sprecherin des Sponsors, der Nordmilch AG in Bremen, bestätigte einen Bericht der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», dass der Konzern wegen der nicht nachlassenden Doping-Diskussion über einen Ausstieg nachdenkt. «Wir bestätigen die Überprüfung unseres Engagements - mehr können wir dazu im Moment nicht sagen», erklärte sie. Nordmilch hat mit dem niederländischen Rennstall-Betreiber Gerry van Gerwen einen Vertrag bis 2010, aber Anwälte prüfen laut «FAZ» einen vorzeitigen Ausstieg, wahrscheinlich nach der kommenden Saison.
Das Milram-Team, das sportlich erst vor kurzem durch die Verpflichtung der beiden deutschen Hoffnungsträger Linus Gerdemann und Gerald Ciolek sportlich aufgerüstet hat, kostet pro Saison geschätzte neun Millionen Euro. «Ich habe nichts Offizielles. Ich reagiere nicht auf Zeitungsartikel. Wir haben am 3. Dezember bei Milram eine turnusmäßige Sitzung. Da werden wir das Thema besprechen. Ich habe einen gültigen Vertrag und wir haben ja gerade kräftig investiert, um mit jungen Leuten eine vernünftige Zukunft aufzubauen», sagte van Gerwen der Deutschen Presse-Agentur dpa am Donnerstag. Am 7. Januar soll in Dortmund die offizielle Präsentation des Teams, das Erik Zabel verlassen hat, erfolgen. Danach ist ein Trainingslager auf Mallorca terminiert.
Der neu verpflichtete Kapitän Linus Gerdemann bereitet sich weiter unbeirrt auf seinen Saisonstart im Milram-Trikot bei der Mallorca- Rundfahrt Anfang Februar vor. «Ich gehe natürlich davon aus, dass Milram meinen gerade geschlossenen Zwei-Jahres-Vertrag erfüllt - mir ist nichts Gegenteiliges bekannt. Ich wusste, dass der Weg nach meinem Wechsel von Columbia in ein deutsches Team nicht leicht wird. Aber wir sind jetzt eine junge homogene Mannschaft und es liegt auch an uns, wieder für positive Nachrichten zu sorgen, damit das angeschlagene Radsport-Image hierzulande wieder steigt und die Sportart auch für Sponsoren in Deutschland wieder attraktiv wird», sagte Gerdemann, zur Zeit im Skilanglauf-Training in den Alpen, der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Nach dem angekündigten Ausstieg von ARD und ZDF aus der Live- Berichterstattung der kommenden Tour de France hatte die Firmenleitung bereits erklärt, das Engagement 2009 auf den Prüfstand zu stellen - besonders in Bezug auf die öffentliche Akzeptanz in einer oft widersprüchlichen Branche. Als der Förderer und Initiator des neuen Milram-Produktes im Profi-Radsport, Marketing-Vorstand Martin Mischel, den Betrieb im Oktober verließ, war klar, dass für die Radler schwere Zeiten anbrechen könnten. Mit Blick auf den TV- Boykott sagte der Aufsichtsrats-Vorsitzende Otto Lattwesen der FAZ und benannte damit aus Sponsoren-Sicht das Hauptproblem: «Wir sind das einzige deutsche Radteam und keiner schaut mehr hin.»
Die Zeitung zitierte Lattwesen weiter mit den Worten: «Ich würde nicht raten, sofort zu sagen, wir springen da raus.» Jedoch soll bei Nordmilch, die 2007 einen Jahres-Umsatz von 2,3 Milliarden Euro machte und sich seit 2006 im Profi-Radsport engagiert, die Überzeugung herrschen, dass der Aufwand für den Radsport und die öffentliche Wirkung «in keiner Relation stehen.» Es werde firmenintern auch die Mittel-Kürzung um 50 Prozent diskutiert. Pat McQuaid, der Chef des Weltverbandes UCI, vermutet hinter den Milram- Überlegungen eher «wirtschaftliche Gesichtspunkte, als die Radsport- Situation in Deutschland».
Nach dem Doping-Fall Patrik Sinkewitz hatte sich 2007 das bis dahin tonangebende deutsche Rad-Team T-Mobile, einst Arbeitgeber von Jan Ullrich, aus dem Profi-Radsport zurückgezogen. Spätestens im Oktober war nach den Doping-Fällen Bernhard Kohl und Stefan Schumacher auch klar, dass Hans-Michael Holczer keinen Ersatz für den zum Saisonende aussteigenden Mineralwasser-Produzenten Gerolsteiner finden würde - so kam es auch. Damit ist Milram, wo zahlreiche Gerolsteiner-Profis Unterschlupf fanden, das einzige deutsche ProTour-Team mit dem Startrecht für alle bedeutenden Rennen.