Madrid (dpa) - Die Ermittlungen gegen den spanischen Arzt Eufemiano Fuentes und dessen Helfer sind zu den Akten gelegt, aber der größte Dopingskandal in der Geschichte des Profi-Radsports ist noch nicht zu Ende.
Zehn Tage nach Einstellung der Ermittlungen im Fall der «Operación Puerto» (Operation Bergpass) gerät der zuständige Untersuchungsrichter in Spanien zunehmend in die Kritik. Die Madrider Zeitung «El País» hielt dem Richter Antonio Serrano vor, das Verfahren vorschnell beendet und viele Fragen offen gelassen zu haben. Die Staatsanwaltschaft legte Serrano zur Last, bei den Ermittlungen nicht allen Spuren nachgegangen zu sein.
Auch die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) will trotz der Einstellung den skandalösen Fall nicht auf sich beruhen lassen. Deshalb bat die WADA die spanischen Behörden, Zugang zu den Ermittlungsakten zu bekommen. «Die WADA hofft, relevante Akten von der Justiz zu bekommen und die Erlaubnis zu erhalten, alle vorliegenden Beweise für disziplinarische Zwecke verwenden zu dürfen», hieß es in einem WADA-Statement in Montréal. Die Weltorganisation wolle die Zusammenarbeit mit den spanischen Behörden und der Sportbewegung fortsetzen, «so dass die Betrüger bestraft und für Wettbewerbe gesperrt werden können».
In Dopingverdacht geratene Radprofis hatten beklagt, dass sie von ihren Verbänden bestraft werden könnten, während die Drahtzieher ungestraft blieben. Ex-Radprofi Jan Ullrich schaltete nach Presseberichten das spanische Verfassungsgericht ein, um zu verhindern, dass ihm zugeschriebene Blutbeutel von der spanischen Justiz zu einem Abgleich an die Staatsanwaltschaft Bonn geschickt werden. Bei dem im Mai 2006 aufgedeckten Skandal waren über 50 Radprofi in Dopingverdacht geraten, darunter Größen wie Ullrich oder der Giro-Sieger Ivan Basso.
Der Ermittlungsrichter hatte das Verfahren zu den Akten gelegt, weil im Mai 2006 Doping in Spanien kein Straftatbestand war. Dies, so hält «El País» dem Richter nun entgegen, hätte Serrano sich früher überlegen sollen. Der Jurist hatte nach Aufdeckung des Skandals angeordnet, dass die Polizei Telefone der Verdächtigen abhörte und Büros und Arztpraxen durchsuchte. «Solche Einschränkungen der Grundrechte sind nur angebracht, wenn es um gravierende Straftaten geht», hält das angesehene Blatt dem Richter vor. «Entweder hatte Serrano damals leichtfertig gehandelt, oder seine jetzige Einstellung des Verfahrens ist nicht gerechtfertigt.»
Der Richter hatte seine Entscheidung auch damit begründet, dass die Gesundheit der Radprofis nicht gefährdet gewesen sei. Die Staatsanwaltschaft bezweifelt dies. Der Ex-Radprofi Jesús Manzano hatte schon vor Jahren berichtet, dass er an den Folgen von Doping beinahe gestorben sei. Von seinen Aussagen wollten die Ermittler jedoch nichts wissen.
«El País» erinnerte auch an die Fahrer Santi Pérez und Tyler Hamilton. Die damaligen Phonak-Profis waren 2004 positiv getestet worden. Die spanischen Ermittler identifizierten die Fahrer später als Kunden des Fuentes-Rings. Nach dem - von dem mutmaßlichen Dopingarzt praktizierten - Verfahren hätten die beide Fahrer eigentlich nicht auffliegen können.
«Die einzige logische Erklärung ist, dass die Blutbeutel verwechselt wurden, Pérez sich das Blut von Hamilton injizierte und umgekehrt», schreibt die Zeitung. Dies zeige, dass das Blutdoping doch mit erheblichen Risiken verbunden sei. Auch der Fall von Roberto Heras lege einen solchen Schluss nahe. Der Sieger der Spanien-Rundfahrt von 2005 sei nach Vermutungen der Ermittler möglicherweise deshalb bei einer Kontrolle positiv getestet worden, weil ihm Blut aus einer verunreinigten Konserve injiziert worden sei.