Antholz (rad-net) - Einen Tag nach den Mutmaßungen um die Verwicklung deutscher Sportler in die mögliche Wiener Blutbank-Affäre hat sich die ARD in bisher nicht gekannter Weise von der eigenen Berichterstattung distanziert. Zugleich entschuldigte sich die ARD für die erhobenen schweren Doping-Vorwürfe. «Es ist nicht vertretbar und mit unserer Berufsauffassung nicht vereinbar, wenn solche Pauschalverdächtigungen erhoben werden, ohne dafür belegbare und nachprüfbare Fakten zu haben», sagte Moderator und SWR-Sportchef Michael Antwerpes am Donnerstag zu Beginn der Live-Übertragung vom Biathlon-Weltcup im Südtiroler Antholz.
Damit wird die mögliche Blutbank-Affäre zunächst zu einer Medien-Affäre. In Radio-Interviews war zuvor schon der WDR-Doping-Experte Hajo Seppelt heftig zurückgerudert und hatte darauf verwiesen, dass in der ARD nur Verdachtsmomente angesprochen worden seien, die zuvor schon in verschiedenen deutschen Printmedien ausgebreitet worden waren. Auch die Deutsche Presse Agentur (dpa) ist an der Medien-Affäre offenbar nicht ganz unbeteiligt. Nach Angaben von Herbert Fischer-Solms, Doping-Experte des Deutschlandfunks, hätten die Agenturjournalisten aus dem Konjunktiv der ARD zu einer möglichen Beteiligung deutscher Sportler an der Blutbank-Affäre einen Indikativ und damit aus Vermutungen Tatsachen gemacht.
«Wir bedauern, wenn es im Zusammenhang mit dieser Meldung zu Vorwürfen und Unterstellungen gegen Athleten gekommen ist», sagte der Michael Antwerpes dazu. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) begrüßte den Rückzieher der ARD. «Ich finde es gut, dass die ARD ein Stück Größe zeigt und die Vorwürfe, nachdem sie sich bisher nicht bestätigt haben, zurückgezogen hat», sagte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper der Deutschen Presse-Agentur dpa. Die ARD hatte behauptet, dass etwa 20 von rund 30 Sportlern, die angeblich Kunden bei einer Wiener Blutbank gewesen sein sollen, aus dem deutschen Wintersportlager kämen.
Auch Radsportler sollen nach Angaben der ARD Kunden der Wiener Blutbank gewesen sein. Im Gegensatz zu den Skisportlern hatte der öffentlich-rechtliche Sender dazu auch Namen genannt. Betroffen seien laut ARD Michael Rasmussen (Dänemark), Michael Boogerd (Niederlande), der zweifache Vuelta-Gewinner Denis Mentschow (Russland) und der frühere Gerolsteiner-Profi Georg Totschnig (Österreich). Alle vier haben die Anschuldigungen bestritten. «Ich habe von diesem Institut noch nie gehört», sagte Rabobank-Kapitän Mentschow der niederländischen Zeitung «de Telegraaf».
Auch der medizinische Leiter der ins Doping-Zwielicht geratenen Wiener Blutplasma-Firma Humanplasma hat alle gegen Humanplasma gerichteten Anschuldigungen zurückgewiesen. «Seit Bekanntwerden der Vorwürfe war noch kein einziger Ermittler bei uns, weder die Kriminalpolizei, noch ein Drogenfahnder», sagte Lothar Baumgartner (65) der dpa.
Der Deutsche Skiverband (DSV) hat mittlerweile offenbar rechtliche Schritte gegen die für die Berichterstattung Verantwortlichen eingeleitet. «Gegenüber den verantwortlichen Redakteuren, wohlgemerkt nicht gegenüber der ARD», sagte DSV-Pressesprecher Stefan Schwarzbach. Das sei «eine sehr, sehr harte Nummer» für alle gewesen, der «Flurschaden ist immens».