Berlin (rad-net) - Insgesamt zwölf Medaillen, davon fünfmal Gold, holte der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) in den letzten Tagen bei der Bahn-Europameisterschaft in Berliner Velodrom. Damit war es die erfolgreichste EM seit Einführung der kontinentalen Titelkämpfe für die Elite-Klassen. BDR-Sportdirektor Patrick Moster kann aufgrund dieser Erfolge ein positives Fazit ziehen und erklärt im Interview, welche Bedeutung die Ergebnisse für die Deutschen haben.
Wie fällt Ihr Fazit aus? Mit zwölf Medaillen lag der BDR weit über den von Ihnen prognostizierten vier bis sieben.
Patrick Moster: Ich wollte mich im Vorfeld nicht auf Medaillenzählen einlassen, habe es dann aber doch getan. Wir dürfen sicherlich von einer sehr gelungenen Europameisterschaft sprechen. Der Auftritt unserer Athletinnen und Athleten kann als überaus erfolgreich bezeichnet werden. Der Bahnsport ist in Europa beheimatet, wenn auch punktuell außereuropäische Nationen eine wichtige Rolle spielen. Wir haben in Berlin gezeigt, dass wir zur internationalen Spitze gehören.
Wie beurteilen Sie das Abschneiden im Kurzzeitbereich?
Moster: Dort wurden die Erwartungen übertroffen! Wir haben in einigen Teilbereichen neue Erkenntnisse gewinnen können. Die Mannschaftskonstellation bei den Männern hat das Trio auf ein sehr hohes Niveau geschraubt, das uns erlaubte, in die Medaillenränge zu fahren. Maximilian Levy hat nach langer Verletzungspause wieder seine alte Klasse gefunden, Jo Eilers mit Silber im Zeitfahren und Teamsprint wieder Weltklasse gezeigt.
Im Sprint-Turnier war aber bereits im Viertelfinale Schluss.
Moster: Das bereitet mir kein Kopfzerbrechen, weil unser derzeit bester Sprinter, Max Niederlag, leider krankheitsbedingt fehlte. Im Januar wird Stefan Bötticher wieder zurückkehren auf die Bahn und im Weltcup in Minsk starten. Wir sind also gut aufgestellt.
Im Frauen-Kurzzeitbereich haben alle drei Athletinnen Top-Leistungen gezeigt. In Berlin kam die Frage auf, Miriam Welte künftig mit Pauline Grabosch im Teamsprint einzusetzen, damit sich Kristina Vogel auf die Einzeldisziplinen konzentrieren kann. Was halten Sie davon?
Moster: Die EM hat uns sicher neue Perspektiven gezeigt, aber solche Aussagen sind spekulativ, weil beide noch nicht zusammen gefahren sind. Außerdem kennen wir heute die Qualifikationsnormen für die Spiele von Tokio noch nicht, ob es überhaupt möglich sein könnte, drei Sportlerinnen im Kurzzeitbereich zu nominieren. Wir werden in den nächsten Wettkämpfen aber sicherlich vieles testen und ausprobieren.
Die Umbesetzung des Frauen-Vierers war gelungen. Leider hat ein Sturz alle Medaillenchance beendet.
Moster: Das war großes Pech. Die Verletzung von Lisa Brennauer wirft uns in allem zurück. Sie ist eine Führungspersönlichkeit und eine tragende Säule im Frauen-Vierer. Das hat bereits die Qualifikation gezeigt. Nun muss man abwarten, wie sie den Sturz auch mental verkraftet hat und wie es weitergeht.
Der Männer-Vierer hat sich das ganze Jahr auf die EM als Saisonhöhepunkt vorbereitet. Ist da der vierte Platz nicht eher enttäuschend?
Moster: Nein! Es ist alles sehr eng zusammengerückt. In der Qualifikation lagen wir nur eineinhalb Sekunden hinter der Bestzeit zurück. Das ist ein Spitzenergebnis. Wir sind im Plan und haben mit dem erst 19-jährigen Felix Groß einen der jüngsten Teilnehmer bei dieser EM eingesetzt, der große Perspektiven bietet.
In der Einerverfolgung und im Punktefahren gab es jeweils Bronze durch Domenic Weinstein und Maximilian Beyer. Aber in anderen Disziplinen lag der BDR hinter den Erwartungen zurück.
Moster: Das trifft für das Omnium zu, wo Lucas Liß nicht im Vollbesitz seiner Kräfte war, weil ihn ein eingeklemmter Nerv behinderte. Aber sein Start war wichtig, um Punkte zu sichern, die einen Start in den bevorstehenden Weltcups überhaupt erst ermöglichen. Das ist ihm gelungen. Letztlich war auch die Nachnominierung von Max Beyer eine richtige Entscheidung. Er hat bewiesen, dass er eine gute Alternative ist und internationalen Ansprüchen gerecht wird.
Domenic Weinstein bleibt Deutschlands bester Verfolger, was auch seine Bronzemedaille in der Einerverfolgung beweist. Haben Sie nicht Angst, dass er auf die Straße abwandert und in den Vorbereitungen auf die Spiele von Tokio eine Lücke reißt?
Moster: Das Ziel der meisten Verfolger ist die Straße. Das war in der Vergangenheit so und wird sich nicht ändern. Uns muss es gelingen, Wege zu finden, Sportlern, die mit einem guten Straßenvertrag ausgestattet sind, auch Perspektiven auf der Bahn aufzuzeigen. Und zwar parallel. Und das werden wir, wie das Beispiel Roger Kluge zeigt. So wird auch ein Domenic Weinstein dem System nicht verloren gehen.