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Vincenzo Nibali scheint eine Art Alleskönner zu sein. Foto: Kim Ludbrook
20.07.2014 11:07
Die Tour gehört Nibali - Vergangenheit wirft Schatten

Nimes (dpa) - Er glänzte zum Tour-Auftakt in Sheffield, fuhr über das Kopfsteinpflaster von Arenberg wie ein Spezialist auf Rang drei und war in den Vogesen und Alpen das Maß der Dinge: Vincenzo Nibali scheint eine Art Alleskönner zu sein - also das Ideal eines Tour de France-Gewinners.

Die üblichen Unwägbarkeiten wie Sturz oder Krankheit ausgeklammert, trennen den Italiener von seinem größten Coup nur noch die Pyrenäen und das wohl für Tony Martin reservierte Zeitfahren am vorletzten Tag der 101. Frankreich-Rundfahrt. Dort dürfte der «Hai von Messina», der auf der 15. Etappe nach Nimes zum 13. Mal das Maillot Jaune trägt, nichts zu bestellen haben. Aber im Vergleich zu seinen direkten Konkurrenten auf dem Podium ist er auch im Kampf gegen die Uhr der Beste.

Beim Thema Doping wirkt der 29 Jahre alte Sizilianer dagegen nicht ganz so elegant und unantastbar wie auf dem Rad. Am Wochenende tauchten Vorwürfe wegen seiner angeblichen Kooperation mit dem lebenslang gesperrten Mediziner und Armstrong-Vertrauten Michele Ferrari aus dem Jahr 2009 auf. «Ich habe Ferrari nie persönlich getroffen», wiederholte Nibali in Risoul und verwies auf einen Prozess wegen Verleumdung gegen den früheren Teamchef Ivano Fannini. Das Verfahren war 2011 eingestellt worden. Die «L'Équipe» schrieb am Sonntag von den «zwei Leben des Vincenzo Nibali».

Sein Engagement im umstrittenen Astana-Team, in dem er umgeben ist von den ewig Gestrigen des Radsports, wirft einen weiteren Schatten auf die Story vom strahlenden Sieger, der nach seinen Erfolgen bei der Vuelta (2010) und beim Giro (2013) in den exklusiven Club der Dreifachsieger eintreten will.

«Es wurden viele Fehler von vielen Fahrern gemacht. Es ist gut, alles in der Vergangenheit zu lassen und mit einer neuen Generation nach vorne zu schauen. Man muss den jungen Fahrern Platz geben, den Radsport zu verändern. Wir haben den Wandel auch schon mit dem Biologischen Pass und den unangekündigten Tests gezeigt», meinte Nibali, der den Geist der Erneuerung sogar bei seinem Teammanager Alexander Winokurow zu spüren glaubt, der 2007 bei der Tour des Blutdopings überführt worden war.

Auch mit seinem Sportlichen Leiter Giuseppe Martinelli, der 1998 mit Marco Pantani den letzten Italiener im Gelben Trikot nach Paris brachte, hat er keine Probleme. Trotzdem brachte Nibali sicherheitshalber seinen Trainer aus Juniorenzeiten, Paolo Slongo, mit ins kasachische Team, in dem er es auf jährlich drei Millionen Euro bringen soll. Sein Vertrag läuft bis 2016. Im Vorjahr war er von Liquigas, einem Team mit ebenfalls zweifelhaftem Ruf, zu Astana gegangen.

Mit Martinelli pflege er «eine gute Zusammenarbeit». Laut Nibali sei es dem erfahrenen Teamchef «zu verdanken, dass ich zu einer Mannschaft wie Astana gekommen bin. Sie haben viel in Italiener investiert. Vielleicht wollten sie dem Team damit mehr Glaubwürdigkeit verleihen», vermutet Nibali. Mit Glaubwürdigkeit konnte er wohl kaum seinen Edelhelfer Michele Scarponi gemeint haben. Sein Landsmann blickt auch als Fuentes- und Ferrari-Kunde auf eine bewegte Doping-Vergangenheit zurück und war bereits zweimal gesperrt.

Aber die alten Zeiten sollen ruhen, findet Nibali. Jetzt zählt nur die Tour, und die gehört ihm. Bei der Generalprobe Critérium du Dauphiné war er den großen Tour-Favoriten Chris Froome und Alberto Contador noch ziemlich chancenlos hinterhergefahren. Die beiden Toursieger sind nach Stürzen längst von der Bühne des größten Radrennens der Welt verschwunden. Nibali, der nicht so oft lacht, kann nach Belieben schalten und walten - Nursultan Nasarbajew kann ruhig schlafen.

Der kasachische Staatspräsident, dem das Astana-Team besonders am Herzen liegt, hatte Teammanager Winokurow vor einigen Tagen eine SMS geschickt, die die «L'Équipe» zum Besten gab: «Unternimm alles, damit Vincenzo sein Gelbes Trikot bis Paris trägt.» Wer könnte sich diesem Befehl widersetzen?


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