Mendrisio (rad-net) - Nachwuchsmann Tony Martin hat dem deutschen Team im Kampf gegen die Uhr die zweite Medaille geholt. Der Zeitfahrspezialist aus Cottbus lieferte auf der 49,8 Kilometer Strecke im Tessin eine starke Leistung ab und holte in 1:00:29,92 Stunden Bronze. Den überlegenen Sieger Fabian Cancellara aus der Schweiz konnte der 24-Jährige allerdings ebenso wenig gefährden wie Vorjahressieger Bert Grabsch, der in 1:01:33,13 Stunden chancenlos war. Der Schweizer Olympiasieger Cancellara, der nach 2006 und 2007 seinen dritten WM-Sieg feierte, fuhr in 57:55,74 Minuten die Konkurrenz förmlich in Grund und Boden und konnte bereits knapp 200 Meter vor dem Ziel jubelnd seine Hände in den blauen Himmel über seinem Heimatland strecken. Die letzten Meter fuhr der er gemütlich freihändig jubelnd ins Ziel. Silber holte sich mit 1:27 Minuten Rückstand Cancellaras Saxo-Bank-Teamkollege Gustav Larsson, der schon nach der ersten von drei Runden vom Schweizer Überflieger überholt worden war.
Am Anfang sah es sogar nach Silber für Martin aus, aber der gebürtige Cottbuser war die anspruchsvolle Strecke mit einer zehnprozentigen Steigung zu ungestüm angegangen und musste am Ende mächtig um Bronze kämpfen. Nach der Zieldurchfahrt ließ er sich erschöpft auf den Asphalt sinken und schnappte nach Luft. «Heute hatte ich die bessere Tagesform als Bert. Mein Ziel auf das Podium zu kommen, habe ich geschafft. Darüber bin ich glücklich. Das war die Krönung meiner Saison - die WM ist eben das Größte», sagte der gebürtige Lausitzer. «Ich habe die Strecke heute ein wenig unterschätzt und bin die erste Runde zu schnell angegangen. Ich habe dann etwas herausgenommen und konnte mich zum Glück ein wenig erholen», erklärte Martin. «Ich hatte über Funk von dem Defekt von Wiggins gehört, aber unabhängig davon habe ich alles gegeben.»
Bert Grabsch landete mit seinen 3:37,39 Minuten Rückstand auf Rang zehn. «Ich weiß nicht woran es lag, es klappte heute bei mir überhaupt nicht. Ich hatte mir eine Medaille vorgenommen», sagte Grabsch.
Der Erfurter Sebastian Lang fuhr als erster deutscher Starter. Der 30-Jährige war 1:02:36 Stunden unterwegs und belegte Platz 20. «Durch das Auf und Ab des ganzen Jahres haben mir die entscheidenden zwei Prozent gefehlt», so Lang.
Cancellara erfüllte mit seiner Goldmedaille im Zeitfahren erst einen Teil seines kühnen WM-Plans auf heimischem Boden. «Ich will auch Gold am Sonntag», kündigte der Saxo-Bank-Profi auch zum WM-Abschluss im Straßenrennen einen Generalangriff auf die Topfavoriten Damiano Cunego, Alejandro Valverde und Samuel Sanchez an. Dabei kann Cancellara, der für die WM extra die Spanien-Rundfahrt früher verließ, wie am Donnerstag auf seine dänischen Saxo-Bank-Betreuer Bjarne Riis und Kim Andersen zurückgreifen.
«Das war heute ein ganz hervorragendes Rennen. Jetzt kann ich mich erholen und das Finale in Angriff nehmen. Das war heute ein perfekter Tag. An Sonntag denke ich erst ab morgen früh. Heute habe ich bewiesen, dass ich bereit war - das muss ich auch am Sonntag beweisen. Der Titel auf der Straße wäre ein Traum», sagte der Sieger nach seiner Triumph-Tour vorbei an zehntausenden Fans. Auch Saxo-Bank-Teamchef Bjarne Riis war völlig fertig - aber vor Begeisterung: «Das war das beste Zeitfahren, das ich von ihm je erlebt habe», sagte der Däne.
Das Comeback Andrej Kaschetschkins nach seiner am 7. August abgelaufenen Doping-Sperre verlief unspektakulär: Der Kasache verlor in 1:03:12 Stunden auf Cancellara über fünf Minuten. Schon schneller unterwegs war sein Landsmann Alexander Winokurow, erst seit Juli nach seiner Sperre zurück. Der ehemalige T-Mobile-Star fuhr in 1:01:65 Stunden auf den achten Platz.