André Greipel und Tony Martin setzten die Glanzpunkte, der kranke Jan Ullrich und das Milram-Aus sorgten für eher traurige Schlagzeilen, die Schumacher-Rückkehr hatte ein geteiltes Echo: Die Radsaison 2010 hatte aus deutscher Sicht viele Facetten.
Como/Berlin (dpa) - Als der Belgier Philippe Gilbert in der Lombardei bei strömendem Regen das Abschlussrennen der Radsport- Saison gewann, hatten sich fast alle deutschen Profis schon ins Trockene verzogen. Nur Fabian Wegmann und Johannes Fröhlinger trotzten den ekligen Bedingungen.
Mit dem Ausgang des letzten Klassikers des Jahres hatten die beiden Milram-Fahrer aber nichts zu tun. Am Comer See endete nicht nur das ProTour-Kapitel Milram, sondern auch ein deutsches Radsport-Jahr 2010, das nur rare Lichtblicke bot - auf und abseits der Straße.
Die Erfolgsgeschichten aus schwarz-rot-goldener Sicht wurden zum Großteil beim US-Team HTC-Columbia - Nachfolger des Telekom-Rennstalls - geschrieben. Tony Martin gewann die Eneco-Tour und damit die erste große Rundfahrt seiner jungen Karriere, zudem eine Etappe bei der Tour de Suisse und zum Abschluss WM-Bronze in Australien. Dennoch mischt sich in die Bilanz des nationalen Zeitfahrmeisters auch Enttäuschung, hat er doch beim Saison-Höhepunkt Tour de France die eigenen Erwartungen nicht erfüllt. Im Kampf gegen die Uhr Fabian Cancellara schlagen und in der Gesamtwertung ein Wörtchen mitreden - beides gelang dem 25-jährigen Eschborner nicht.
Immerhin war Martin in Frankreich dabei, dürfte sich André Greipel denken, der an Tagessiegen erfolgreichste Radprofi des Jahres. Er kam in seinem Team an Supersprinter Mark Cavendish aber wieder nicht vorbei. Zum zweiten Mal hatte HTC-Columbia dem Rostocker einen Start bei der Tour verwährt und damit endgültig den Bruch herbeigeführt. Greipel, der in diesem Jahr 21 Tagessiege einfuhr, wechselt zu Omega-Lotto nach Belgien an die Seite Gilberts.
Die Tour 2010 ganz schnell vergessen dürften auch die Fahrer vom Team Milram - und das, obwohl die Dortmunder Equipe das wichtigste Radrennen der Welt zum Schaulaufen für neue Sponsoren nutzen wollte. In jeder Fluchtgruppe dabei sein, war die Devise, am Ende wurden die Profis in den blau-weiß gefleckten Anzügen tagtäglich von den Gegnern abgehängt. Aus der Werbe-Tour war ein Trauerspiel geworden. Teamchef Gerry van Gerwen zögerte bis Oktober, ehe er aufgab. Er träumt noch immer von einer neuen Elite-Equipe 2012 und schmiss am Sonntag am Firmensitz in dortmund eine Fete mit Grillwürstchen - aber ohne Profis.
«Traurig für den deutschen Radsport», nannte Milram-Teamchef Christian Henn, der für 2011 «zwei ProTour-Angebote» sondiert, die Entwicklung. Weniger schwarz sieht Wegmann die Zukunft hierzulande: «Natürlich ist es schade, dass es 2011 kein deutsches Eliteteam mehr gibt, wo wir so viele vielversprechende Talente haben. Auch wenn die Hürden in Deutschland hoch sind: Ich glaube, es findet sich ein Sponsor, der in näherer Zukunft weitermachen könnte.»
Für Schlagzeilen sorgten in der abgelaufenen Saison auch zwei große Namen mit einschlägiger Vergangenheit: Jan Ullrich verabschiedete sich auf seiner Homepage wegen einer Burnout-Erkrankung aus der Öffentlichkeit, die ihn aus seinem Schweizer Exil ohnehin nur noch selten zur Kenntnis nahm. Nach dem Ablauf seiner Doping-Sperre trat Stefan Schumacher wieder auf die Bühne und kam zumindest bis zum Jahresende beim drittklassigen italienischen Miche-Team unter. 2011 will der zweifache Tour-Etappengewinner von 2008 und Träger des Gelben Trikots, der danach als CERA-Doper entlarvt worden war, seine Fühler wieder in Richtung größerer Team ausstrecken. Sein Traum: Noch einmal Tour de France.