Paris (dpa) - Die schnellsten Sprinter, der beste Zeitfahrer, der älteste Teilnehmer und ein kleines Team, das große Taten vollbrachte: Wie im Vorjahr sorgten die deutschen Radprofis erneut für eine Tour d'Allemagne auf französischem Boden.
Mit insgesamt sieben Etappensiegen sorgten die deutschen Fahrer für einen Rekord. Das i-Tüpfelchen setzte Marcel Kittel auf den Champs Élysées mit seinem vierten Tageserfolg. Mehr Siege als für Kittel und Co. hatte es nicht mal zu Zeiten Jan Ullrichs gegeben. Tony Martin sieht die Zeit gekommen, dass nach dem Sommermärchen 2.0 der Radsport-Bann in Deutschland aufgehoben wird. «Wir haben im letzten Jahr schon gezeigt, dass der Radsport wieder gut dasteht. Mit unserer Performance können wir zufrieden sein. Ich hoffe, dass es in Deutschland ankommt.»
Der dreimalige Weltmeister hatte mit seinem überlegenen Sieg im Zeitfahren bereits am vorletzten Tag dafür gesorgt, dass der deutsche Tour-Rekord von sechs Etappensiegen aus den Jahren 1977 und 2013 eingestellt wurde. Kittel übertraf ihn mit seinem Sieg auf der Schlussetappe. Neben Martin, der auch in Mulhouse triumphierte, hatten Kittel und André Greipel für die weiteren Erfolge gesorgt. Dazu schrammte John Degenkolb zweimal an seinem ersten Tour-Etappensieg knapp vorbei und war angesichts seiner schmerzvollen Stürze der Pechvogel unter den zehn deutschen Tour-Startern.
Sportlich haben Kittel, Martin und Co. jedenfalls reichlich Argumente für eine Rückkehr der öffentlich-rechtlichen TV-Sender geliefert. Im September wollen ARD/ZDF offenbar darüber beraten. Die internationale Presse zeigte sich jedenfalls verwundert über den «Boykott deutscher Medien» (Sportzeitung «L'Equipe») und die Tatsache, dass die Anzahl chinesische Berichterstatter fast genauso groß war wie die aus Deutschland. Dabei hatte China in Cheng Ji gerade einmal einen Fahrer und obendrein noch den schlechtesten am Start.
Alles andere als schlecht waren dagegen die Vorstellungen der deutschen Fahrer. Kittel stürmte bereits beim Tour-Auftakt in Harrogate wie im Vorjahr zum Sieg und ins Gelbe Trikot. An den ersten vier Tagen schlug der blonde Sympathieträger gleich dreimal zu und bestätigte seinen Ruf als derzeit weltbester Sprinter. Als Kittel mal nicht konnte, war Greipel in Reims zur Stelle. Übertroffen wurden die Leistungen aber noch von Tony Martin, der auf dem Weg nach Mulhouse eine beeindruckende 155-Kilometer-Flucht krönte und nach seinem Solo-Sieg schon mit Rad-Legende Eddy Merckx verglichen wurde.
International genießen Martin und Co. einen hervorragenden Ruf. Mit ihrer klaren Haltung in Sachen Doping stehen sie für Glaubwürdigkeit, wie Enthüllungsjournalist und Armstrong-Jäger David Walsh anmerkte. «Ihre Haltung gegen Doping ist glaubhaft, Martin und Kittel sind wirklich die Vertreter einer neuen Generation», sagte der Ire der Nachrichtenagentur dpa.
Eine Tour der Rekorde war es für die Deutschen, da wollte auch Altmeister Jens Voigt nicht zurückstehen. Zum 17. Mal nahm er teil am französischen Nationalheiligtum und stellte den Rekord von George Hincapie aus den USA und dem Australier Stuart O'Grady ein. «Am ersten Tag hatte ich mit dem Bergtrikot mein Mini-Highlight», sagte Voigt, der als fast 43-Jähriger aber auch erkennen musste, dass es «immer schwerer wird, in die Fluchtgruppen zu kommen».
Auch ein deutsches Team war zum ersten Mal nach vier Jahren wieder dabei. Das aus der zweiten Division stammende NetApp-Team zeigte dabei erstklassige Leistungen und stellte in Leopold König aus Tschechien gar den Tour-Siebten. Teamchef Ralph Denk hofft, dass er mit seiner Mannschaft im nächsten Jahr wiederkommen darf. «Ich weiß, dass die Tour-Organisation mit unserem Auftritt und unserer Philosophie zufrieden war», sagte Denk, der am ersten Ruhetag auch den Einstieg eines deutschen Sponsors (Bora) für 2015 präsentieren konnte.