Brescia (dpa) - Einen Tag nach seinem Etappensieg ist der Rostocker Radprofi André Greipel beim 93. Giro d'Italia ausgestiegen. Zum Start des 19. Streckenabschnitts von Brescia nach Aprica trat der 27 Jahre alte Sprinter vom US-Team HTC-Columbia nicht mehr an.
17 Tage Regen hatte Greipel abgewartet. Erst am 18. schien für ihn die Sonne. So hat der blonde Radprofi von der Ostseeküste selbst seinen Giro beschrieben. Zum Start des 19. Streckenabschnitts trat der Topsprinter vom Rennstall HTC Columbia nicht mehr an, schließlich gab es für ihn nach dem ersehnten Etappensieg nichts mehr zu gewinnen. «Er sagte sich: 'Genug ist genug'», berichtete Columbia-Sportdirektor Rolf Aldag vor den beiden Bergetappen und dem abschließenden Zeitfahren.
Auch wenn Greipel bei der allerletzten Gelegenheit für die Sprinter doch noch zuschlug, hat er die Prosecco-Flaschen für den Sieger längst nicht so eifrig eingesammelt, wie es jeder inklusive er selbst erwartet hatte. «Ich bin keine Maschine. Ich bin ein Mensch», rechtfertigte Greipel in Brescia die schwarze Serie. Natürlich sei er es inzwischen gewohnt, zu siegen. «Im letzten Jahr schien mir von Mai bis September die Sonne. Davor gab es aber auch ein paar Monate Regen», lautete sein persönlicher Wetterbericht. Der Regen steht dabei für die Rennpause nach dem Sturz bei der Tour Down Under 2009.
Nach diesem Auf und Ab hat sich Greipel eine gehörige Portion Fatalismus zu eigen gemacht. Dass er beim Giro nicht früher reüssierte, schreibt er dem Magen-Darm-Virus zu, den er sich zwei Tage vor dem Start in Amsterdam zugezogen hatte. «Ich konnte während der ersten beiden Etappen des Giros kaum etwas zu mir nehmen. Ich verlor drei Kilo und hatte einfach nicht die Power, um um den Sieg mitzusprinten», sagte der zwölffache Saisonsieger. An einen Ausstieg zwischendrin habe er nicht gedacht: «Ich war als Kapitän eingesetzt. Da hat man Verantwortung.»
Ob ihn der Sieg von Brescia näher an einen Startplatz bei der Tour de France herangeführt hat, vermochte er nicht zu sagen. «Wenn das Team mich aufstellt, fahre ich», sagte er knapp. Sein sportlicher Leiter Valerio Piwa stuft die Chancen auf einen Greipel-Start als sehr gering ein. «Wir werden kaum mit zwei Sprintern zur Tour fahren. Bei Leuten vom Format eines Cavendish und eines Greipel kann man nicht erwarten, dass der eine für den anderen den Sprint eröffnet», meinte der Italiener, der Greipel beim Giro betreute.
Erik Zabel, der bei Columbia als Sprintexperte angeheuert ist, sieht die Sache freilich etwas anders. «Ich sähe es gern, wenn beide starten. Sie müssen dazu allerdings Vertrauen zueinander aufbauen», meinte er in der ersten Giro-Woche, als Greipel noch ohne greifbaren Erfolg dastand und der Brite Mark Cavendish schon in Kalifornien ein Achtungszeichen gesetzt hatte. Columbia-Sportdirektor Rolf Aldag wollte sich nicht in die Karten schauen lassen. Nur eines sei sicher: «Gegeneinander zu sprinten sollten wir ausschließen.»
Gegenwärtig sieht es so aus, als könne Greipel im Juli Urlaub planen. Immerhin kann er sich damit trösten, dass die Profis, die zuletzt eine Giro-Etappe in Brescia gewannen, im gleichen Jahr Weltmeister wurden. Es handelt sich um Paolo Bettini (2006), Mario Cipollini (2002) und Gianni Bugno (1991). Gut möglich, dass Greipel im Herbst wieder die Sonne scheint. Der WM-Kurs in Australien ist für Sprinter jedenfalls geeignet. «Ich werde meine Chance suchen, wenn ich in Form bin und mit den besten 50 zur Zieleinfahrt gelange», versprach er.