Lille (dpa) - Der Tour-Triumphator Marcel Kittel bringt auch die Altvorderen des Metiers ins Schwärmen. Altmeister Rudi Altig, 1966 letzter deutscher Straßenradweltmeister und achtmaliger Tour-Etappensieger, ist als erfahrener Sprinter sogar gleich mit Ratschlägen zur Stelle.
«Er sollte jetzt ein bisschen rausnehmen, Kraft sparen, dass er auf jeden Fall nach Paris kommt», sagte Altig mit Blick auf die kommenden Bergetappen.
Kittel glänzte bei der diesjährigen Tour de France nach vier Etappen mit bisher drei Tagessiegen. Olaf Ludwig, 1993 erster hochbezahlter Star im damaligen Telekom-Team und dreifacher Etappengewinner, ist angesichts der Leistungsexplosion seines Landsmannes aus Thüringen restlos begeistert. «Das ist sensationell und beeindruckend. Diese Momente, wie auch im letzten Jahr auf den Champs-Élysées im Abendlicht, wird er erst Jahre später registrieren», sagte der 54-Jährige am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa.
Ludwig und Altig hatten - wie Kittel im Vorjahr - jeweils die prestigeträchtige letzte Tour-Etappe gewonnen, der jetzt 77-jährige Altig noch nicht auf den Champs-Élysées, sondern noch im Pariser Prinzenparkstadion.
Der forsche Kittel hat sich bis auf einen Etappensieg an die Nummer zwei in der deutschen Rekordliste herangesprintet. Die Marke der acht Etappensiege von Altig könnte also bald fallen, Kittel ist bereits bei sieben. Hochgerechnet etwa achtmal bietet das Tour-Terrain noch Chancen auf Massensprints - und damit auf weitere Kittel-Erfolge. «Ach, Rekorde, Rekorde - das interessiert mich doch gar nicht. Das ist doch heute etwas ganz anderes», meinte der zweitplatzierte Altig.
Im günstigsten Fall, spätestens aber wohl nächstes Jahr, könnte auch Erik Zabels Bestmarke (12 Etappensiege) wackeln. «Er hat das Zeug dazu, ein ganz großer Star zu werden, er hat frischen Wind in den Sprint gebracht. Ich bin ein großer Fan von ihm», sagte Zabel der «L'Équipe». Er ist mit sechs gewonnenen Grünen Trikots deutscher Rekordhalter in der Tour-Punktewertung.
«Er hat die Kaltschnäuzigkeit und die Ruhe. Er bricht auch nicht in Panik aus, wenn der Sprintzug mal nicht so klappt wie in Lille. In der Form müssen sich die anderen schon etwas einfallen lassen», beschrieb Ludwig den Youngster, warnte aber gleichzeitig: «Jeder Tag kostet mehr Körner. Die Berge zehren an den Kräften, dann sind die Verhältnisse vielleicht andere.»
Angesichts des Halbfinal-Knallers der deutschen Kicker bei der Fußball-WM gegen Brasilien rückte die Kittel-Huldigung in der «L'Équipe» am Mittwoch auf Seite zwölf: «3:0 für Marcel», titelte das Tour-Organ und befand, dass Sprintsiege des 26-Jährigen mittlerweile schon zur Gewohnheit geworden sind. Allerdings muss der Statistiker in der Tour-Historie 105 Jahre zurückgehen, um jemanden zu finden, der wie Kittel drei Etappen an den ersten vier Tagen gewann: Es war 1909 der Luxemburger François Faber.