Dortmund (dpa) - Zum Siegen verdammt. Das Team Milram startet mit neuer Strategie, aber anhaltenden Zukunftssorgen in die Radsport-Saison. Alle Versuche der Teamleitung, bei der Vorstellung der Mannschaft in Dortmund Optimismus zu verbreiten, konnten nicht über die Probleme hinwegtäuschen.
Weil Hauptsponsor (Nordmilch AG) sein auf jährlich rund acht Millionen Euro veranschlagtes Engagement über 2010 hinaus wohl nicht verlängern wird, steht die einzig verbliebene deutsche ProTour-Equipe mächtig unter Druck. Nur positive Schlagzeilen bei namhaften Tages-Klassikern und Rundfahrten könnten das Interesse neuer Geldgeber wecken. «Jetzt müssen Erfolge her. Es gibt keine Ausreden mehr», sagte Teammanager Gerry van Gerwen.
Um letzte Reserven zu mobilisieren, verkündetet van Gerwen einen Paradigmenwechsel. Neue, unbequeme Spielregeln sollen aus 24 Individualisten eine schlagkräftigere Mannschaft formen. Beim Dezember-Training auf Mallorca logierten die Fahrer nicht in einem 4-Sterne-Hotel, sondern in Appartements für Selbst-Verpfleger mit eigenem Putz- und Kochdienst. «Das war für die Profis am Anfang schrecklich», erläuterte van Gerwen seine «Back to Basics-Philosophie», «aber nach fünf Tagen fanden sie es gut. Solche Maßnahmen tragen zu einem neuen Teamspirit bei.»
Vor allem die Teamkapitäne Linus Gerdemann und Gerald Ciolek stehen in der Verantwortung. Alle wissen: In der kommenden Saison wird es weniger auf die Neuzugänge Roger Kluge (Cottbus), Dominik Nerz (Wangen), Luke Roberts (Australien) sowie die beiden Belgier Roy Sentjens und Wim De Vocht als vielmehr auf die etablierteren Fahrer ankommen. Radeln Gerdemann, Ciolek und Fabian Wegmann der Konkurrenz allzu weit hinterher, droht der Mannschaft das gleiche Schicksal wie das Team Gerolsteiner, das 2008 nach vergeblicher Sponsorensuche aufgeben musste. Die Chancen auf eine Vertragsverlängerung mit Milram sind gering. «Im Moment steht eine Fortsetzung unseres Engagement nicht zur Disposition, aber wir haben großes Interesse an einem Fortbestand des Teams», sagte Nordmilch-Sprecherin Godja Sönnichsen.
Alle Beteiligten wollen dazu beitragen, dass der deutsche Radsport nicht wieder in überwunden geglaubte Zeiten ohne Top-Team zurückfällt. Gerdemann stellte einen Aufwärtstrend in Aussicht: «Ich bin auf einem viel höheren Fitness-Level als zum gleichen Zeitpunkt im vorigen Jahr und hoffe, dass ich im Jahr 2010 ein anderer Radfahrer bin.» Und Manager van Gerwen machte deutlich, was er von seinen 24 Profis, darunter 16 Deutsche, erwartet: «Bei der Qualität unserer Fahrer sollten 25 Siege bei rund 250 Rennen möglich sein. Was uns gefehlt hat, waren Profis, die beim Start das Messer im Mund tragen.»
Die Bilanz des Vorjahres macht wenig Mut und taugt nur bedingt zur Investoren-Suche. Schon vor zwölf Monaten hatte van Gerwen 25 Saisonsiege als Ziel ausgegeben, am Ende standen jedoch nur neun Erfolge zu Buche. Vor allem beim Saisonhöhepunkt, der «Tour de France», verpasste das Team die Chance, sich für mögliche Sponsoren interessanter zu machen. Positiv in Erinnerung blieb nur der Etappensieg durch Ciolek bei der Vuelta, der Gewinn der Bayern-Rundfahrt durch Gerdemann und der Sieg Wegmanns beim Frankfurter Traditionsrennen am 1. Mai. Sprinter Ciolek hofft auf fettere Beute: «Wir wollen möglichst viele Rennen gewinnen - große Rennen.»