Berlin (dpa) - Horror-Crash am 11. April - «Wunderheilung» 20 Tage später: Radprofi Tony Martin startet trotz schwerster Gesichtsverletzungen am 1. Mai beim Frankfurter Klassiker. «Er wollte unbedingt zurück», sagte sein Manager.
Weiches Toastbrot und Milchreis bestimmen im Moment seinen Speiseplan. «Das Essen fällt schon noch ein bisschen schwer», sagte Martin mit einem tief rot unterlaufenen Auge. Gleichzeitig bestätigte er im Hessischen Rundfunk sein Comeback beim Frankfurter Rad-Klassiker. Seine Genesung nach dem Totalschaden im Gesicht gleicht fast einem Wunder, für Martin ist sie «erstaunlich und bemerkenswert».
Die Aufzählung der Verletzungen las sich am 11. April, als sei der Radprofi mit den Klitschko-Brüdern hart aneinandergeraten: Teilbruch der Augenhöhle, Jochbeinbruch, Kiefer angebrochen, Riss im Schulterblatt. Aber kein Boxer war Schuld an Martins Blessuren, sondern eine alte Dame. Eine 70-jährige Autofahrerin nahm Martin unweit von dessen Wohnsitz in Kreuzlingen am Bodensee mit ihrem PKW die Vorfahrt. Der Radprofi flog durch die Windschutzscheibe und fühlte sich «wie aus einem Traum aufgewacht», als er auf dem Asphalt liegend in die Augen seiner Retter schaute.
Die nächste Etappe des Leidenweges der großen deutschen Olympia-Hoffnung war die Intensivstation im Krankenhaus. Seine Freundin und seine Mutter wachten am Krankenbett. «Damals dachten wir nicht an eine möglichst schnelle Rückkehr in den Sattel - da hatten wir andere Sorgen», sagte Martin-Manager Jörg Werner der Nachrichtenagentur dpa.
Aber schon zwei Tage nach der Entlassung aus dem Spital setzte er sich zum Training wieder auf die Rolle, kurz danach drehte er die ersten vorsichtigen Runden auf der Straße. «Zuletzt waren es schon fünf Stunden», berichtete Werner. «Er wollte unbedingt zurück, er hat einen eisernen Willen.»
Martin, schon mehrmals im Training aus Übereifer über das Ziel hinausgeschossen, hat Angst, dass ihm die Zeit im Hinblick auf seine Ziele Tour de France und Olympia in London davonläuft. Sein Berater und Ex-Teamchef Rolf Aldag sieht in der Zwangspause, ähnlich wie beim verletzten Konkurrenten Fabian Cancellara, auch Chancen: «Wenn sie wieder anfangen, sind sie körperlich und mental ausgeruht.»
In den nächsten Tagen will Martin, dem in dieser Saison noch ein Sieg zur Festigung des Selbstvertrauens fehlt, mit seinem belgischen Pharma-Quick-Step-Team den kommenden Fahrplan festlegen. Die Dauphiné- Libéré-Rundfahrt in den französischen Alpen vom 3. bis 10. Juni dürfte als Tour-Generalprobe weiter in seinem Terminkalender stehen.
Das Rennen «Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt» sollen Martins erste Gehversuche im harten Wettkampf sein. «Er hat keine speziellen Aufgaben und soll jedes Risiko vermeiden», meinte sein Teamchef Jan Schaffrath.
«In den vergangenen beiden Wochen habe ich mich ausschließlich auf den Heilungsprozess konzentriert. Von Tag zu Tag wurden die Schmerzen weniger. Meine Verletzungen heilen derart gut, dass es keine medizinischen Bedenken gibt, mich wieder auf meine Kollegen loszulassen. Ich bin froh, dass ich so schnell wieder zurückkommen und mich auf die Höhepunkte der Saison vorbereiten kann», teilte der in Eschborn aufgewachsene Martin am Freitag auf seiner Homepage mit.