Salzburg/München (dpa) - Erik Zabel hatte in Salzburg die ganz große Show im Kopf: WM-Gold und anschließender Rücktritt.
«Ich hatte meinem Sohn versprochen: Wenn ich Weltmeister werde, habe ich zukünftig mehr Zeit für dich. Ich wäre dann im Regenbogentrikot noch Paris-Tours gefahren, und das wäre es dann gewesen», sagte der 36- Jährige. Mit der Silbermedaille um den Hals musste der nach Siegen gerechnet erfolgreichste aktive Radprofi der Welt, der Deutschland an die Spitze des WM-Medaillenspiegels gebracht hatte, umdisponieren. «Jetzt kann ich meiner Passion weiter nachgehen: Ich erfülle meinen Vertrag bis 2008», sagte der Berliner, der auf dem Münchner Oktoberfest feierte.
Der Geniestreich von Weltmeister Paolo Bettini in Mozarts Geburtsstadt vertrieb in der italienischen Presse böse Gedanken. «Bettinis Leistung beendet die Hoffnungen des allmächtigen Zabel und verschlingt die Schatten der Skandale», schrieb die «Gazzetta dello Sport». Auch «Tuttosport» geriet ins Schwärmen: «Der Radsport vergisst die schändlichen Vorfälle der jüngsten Vergangenheit und zeigt das saubere, stolze und lächelnde Gesicht eines Meisters, der ein wunderbares Märchen erlebt.»
Der Herbst scheint Zabels Zeit zu sein. Im Oktober 2005 gewann die Galionsfigur des deutschen Radsports etwas überraschend noch einmal Paris-Tours und verschaffte sich damit einen Abtritt mit Ausrufezeichen vom T-Mobile-Team, das ihn vorher von seiner geliebten Tour de France ausgeladen hatte. Im diesem September gewann Zabel bei der Spanien-Rundfahrt zwei Etappen, darunter zum ersten Mal die prestigeträchtige zum Vuelta-Abschluss in Madrid. Es folgte der überragende Auftritt in Salzburg, wo nur der italienische Olympiasieger schneller und noch etwas cleverer als Zabel war.
Der lustige Bettini, wegen seiner Statur und der Fähigkeit, an Steigungen plötzlich «wegzuspringen», die «Grille» genannt, schien sich fast bei Zabel entschuldigen zu wollen. «Er ist eine Persönlichkeit, wir sind seit langem Freunde. Vielleicht hätte er den Sieg sogar mehr verdient», sagte Bettini, der es vor dem Rennen nicht so eilig wie am Schluss nach 266 Kilometern hatte. Als Letzter der 198 WM-Starter rollte er los. Ein Journalist wollte von ihm wissen, welche Frau er am Straßenrand kurz vor dem Start geküsst hätte. «Meine Ehefrau», antwortete der Italiener, der die Nationalhymne lautstark mitsang. Die Dame sei aber schon etwas älter gewesen, wurde nachgehakt. Bettini: «Dann war es meine Mutter».
Zabel hatte nach seinem Wechsel zu Milram einen zähen Saisonstart und musste bis zur Bayern-Rundfahrt auf seinen ersten Saisonsieg warten. Dann folgte der Doppelschlag in Spanien. Vorher war er bei der Deutschland-Tour leer ausgegangen und hatte eine Niederlage gegen den U23-Weltmeister von Salzburg, Gerald Ciolek, zu verdauen gehabt. Alle Überredungskunst nutzte nichts: Das Riesentalent aus Köln unterschrieb anschließend bei T-Mobile. «Ich könnte mir vorstellen, dass er jetzt merkt, dass es vielleicht doch besser gewesen wäre, noch ein Jahr zu warten. Bei T-Mobile wird er gleich im Fokus stehen», sagte Zabel.
Den dort beschlossenen harten Anti-Doping-Kurs der ProTour-Teams begrüßte der 36-Jährige. «Die Maßnahmen sind umfangreich und absolut zu begrüßen. Aber wir müssen uns vorsehen, zu sagen: Jetzt wird alles gut. Die Vorfälle der vergangenen Monate haben uns einen harten Schlag verpasst, und die wahren Auswirkungen wird man vielleicht erst in zwei, drei Jahren spüren, wenn die großen Verträge auslaufen.»