Berlin (dpa) - Der spindeldürre Bradley Wiggins (Großbritannien) und Vorjahressieger Cadel Evans (Australien) sind die großen Favoriten auf das Gelbe Trikot bei der Tour de France 2012.
Die größten Aussichten auf Etappensiege aus der Riege der deutschen Tour-Starter haben Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin sowie die Sprinter André Greipel und Debütant Marcel Kittel. Die Nachrichtenagentur dpa stellt die fünf Protagonisten vor:
BRADLEY WIGGINS (32): Der Brite nimmt seine sechste Tour mit besten Empfehlungen in Angriff. Die Siege bei Paris-Nizza, der Romandie- und der Dauphiné-Rundfahrt geben dem Leichtgewicht und dreifachen Bahn-Olympiasieger, der sich erst 2009 richtig auf die Straße konzentrierte, mächtig Rückenwind. Der bei einer Körpergröße von 1,90 Metern nur etwa 70 Kilogramm schwere Wiggins, der neuerdings vom australischen Schwimm-Coach Tim Kerrison betreut wird, ist ein überragender Zeitfahrer und hält auch in den Bergen mit.
Zudem weiß er mit dem britischen Sky-Team die wohl stärkste aller 22 Mannschaften hinter sich. Allerdings hat er neben dem Tour-Sieg auch Gold in London im Straßen-Zeitfahren im Visier - zwei Vorhaben, die innerhalb von fünf Wochen nur schwer zu stemmen sein werden.
CADEL EVANS (35): Der ehemalige Mountainbiker - im Zeitfahren und beim Klettern ähnlich stark wie Wiggins - hielt sich in diesem Jahr bisher zurück und markierte nur zwei Etappensiege. Bei der Dauphiné hatte der erste australische Tour-Sieger noch keine Chance gegen Wiggins. Aber Evans versteht etwas vom richtigen Formaufbau und hat im Vergleich zu seinem britischen Konkurrenten im Kampf um Gelb wesentlich mehr Erfahrung in Drei-Wochen-Rundfahrten. 2013 könnte er seinen Abschied geben.
TONY MARTIN (27): Erik Zabel traut dem Zeitfahr-Weltmeister zu, schon beim 6,4 Kilometer langen Prolog von Lüttich oder am Folgetag in Seraing zum ersten Mal ins Gelbe Trikot zu schlüpfen. Allerdings könnte da jedes Mal Wiggins als großer direkter Konkurrent im Wege stehen. Nach zwei vergeblichen Versuchen will Martin bei der Tour diesmal - abgesehen vom Auftakt - das Gesamtklassement außer Acht lassen. Seine Konzentration liegt auf dem Start, den beiden schweren Zeitfahren und dem olympischen Kampf gegen die Uhr von London.
Der Goldmedaille wollte er in dieser Saison alles unterordnen. Seinen Sturz mit schweren Gesichtsverletzungen vom 11. April hat er überwunden, wie etwa seine beiden ersten Saisonsiege bei der Belgien-Rundfahrt und der deutsche Meistertitel zuletzt bewiesen.
ANDRÉ GREIPEL (29): Der WM-Dritte aus dem Vorjahr ist diesmal noch stärker einzuschätzen als 2011 - nicht nur wegen seiner bisher 14 Saisonsiege. Ganz bescheiden hat der bullige Rostocker, der sich in seinem belgischen Lotto-Team einen eingespielten Sprinterzug aufbauen durfte («Das war hart erkämpft»), vorerst nur einen Etappensieg auf seinem Wunschzettel notiert.
Es könnten aber leicht mehr werden. Ans Grüne Trikot will er noch nicht denken, da favorisiert er den Slowaken Peter Sagan - nicht seinen ehemaligen Teamkollegen und großen Rivalen Mark Cavendish. Auch im olympischen Straßenrennen rechnet sich Greipel, der 2011 seine erste Tour-Etappe gewonnen hatte, einiges aus.
MARCEL KITTEL (24): Der Profi der mit einer Wild Card ins Rennen gekommenen niederländischen Formation Argos-Shimano gibt sein Tour-Debüt. «Wenn er erstmal aus dem Staunen raus ist, traue ich ihm auf einer Flachetappe einen Tagessieg zu», sagte Ex-Sprinter Erik Zabel, der zu seiner Hochzeit in Frankreich zwölf Etappensiege einfuhr und Cavendish zu dem machte, was der britische Weltmeister jetzt darstellt.
Der Arnstädter Kittel, der in diesem Jahr bisher sieben Siege einfuhr, kommt wie Martin und sein Teamkollege John Degenkolb aus der Thüringer Schule von Jörg Werner.