London (dpa) - Der abgestürzte Radsport-Superstar Lance Armstrong kneift nur kurz die Lippen zusammen. Ohne Reue gibt er dann zu, dass er zwar 2015 nicht dopen würde, es in einer vergleichbaren Situation wie damals aber wieder tun würde.
Im Interview der britischen BBC erklärt der 43-Jährige: «Wenn man mich ins Jahr 1995 zurückversetzen würde, als Doping allgegenwärtig war, würde ich es wahrscheinlich wieder tun.» Mit verschränkten Armen sitzt Armstrong dabei auf seinem Stuhl. Eine Entschuldigung kommt nicht über seine Lippen.
Zum ersten Mal seit gut zwei Jahren redet die einstige Galionsfigur des Profiradsports wieder vor einer Kamera. Sein Gespräch mit dem BBC-Sportjournalisten Dan Roan in seiner Heimatstadt Austin ist der erste Fernseh-Auftritt nach seiner Softbeichte in der TV-Show von Oprah Winfrey vor gut zwei Jahren. Mit dem Interview, das online bei der BBC einzusehen ist, versucht der US-Amerikaner sein Image aufzupolieren und aus der Buh-Mann-Ecke zu treten. Armstrong hofft auf Vergebung - und erntet eine Menge Kritik.
Anstatt die Herzen der Menschen mit Tränen zu gewinnen, ließe er sie weiter erkalten, schrieb ein Kommentator in der britischen Zeitung «The Telegraph». «Die Wahrheit ist, er wäre besser dran gewesen, hätte er nichts gesagt.» Der mehrfach ausgezeichnete irische Buchautor und Journalist David Walsh glaubt, Armstrong habe sich überhaupt nicht verändert. Der lebenslang gesperrte Ex-Radstar hadere damit, nicht mehr im Rampenlicht zu stehen: «Jetzt will keiner mit ihm wirklich in Verbindung gebracht werden - und das ist schwer, wenn du einmal in der Position von Lance Armstrong warst.»
Nach langem Leugnen hatte Armstrong 2013 umfassendes Doping gestanden und daraufhin seine sieben Titel bei der Tour de France verloren. «Erheblich, schwierig und anstrengend» seien die Auswirkungen seines Geständnisses gewesen, bekennt der Texaner. Er wünsche sich, kein Ausgestoßener mehr zu sein und bald wieder ins öffentliche Leben zurückkehren zu können. «Natürlich will ich aus der Auszeit raus, welcher Junge will das nicht?», fragt Armstrong und betont erneut, bei seinem Comeback 2009 und 2010 nicht gedopt zu haben.
Der US-Amerikaner räumt ein, Strafe verdient zu haben. Er habe aber «zu viel» Strafe erhalten. «Andere würden sagen, ich bin noch nicht hart genug bestraft worden», sagt Armstrong. Der einstige Seriensieger verweist darauf, dass der Ex-Telekom-Profi Erik Zabel sein Grünes Trikot und der Franzose Richard Virenque sein Bergtrikot behalten durften. Beide hatten in der gleichen Zeit wie Armstrong zu unerlaubten Mitteln gegriffen und gaben Doping zu. Auch Promis wie der frühere US-Präsident Bill Clinton und Golfstar Tiger Woods seien nach Fehlverhalten im öffentlichen Ansehen begnadigt worden. Es sei absurd, dass er durch die lebenslange Sperre nicht einmal für soziale Zwecke am Boston-Marathon teilnehmen dürfe.
Zweimal traf sich Armstrong nach eigenen Angaben mit Vertretern des von der UCI ins Leben gerufenen Gremiums zur Doping-Aufarbeitung (CIRC). «Völlig transparent und wahrheitsgemäß» habe er ausgesagt. Niemanden müsse er mehr schützen außer seiner Familie. Ob die Kommission seine Strafe reduzieren könne, wisse er nicht, sagt Armstrong, der sich nicht zu Korruptionsvorwürfen an die Adresse des früheren UCI-Präsidenten Hein Verbruggen hinreißen lässt. Das Gremium will laut UCI-Chef Brian Cookson im Februar Erkenntnisse vorlegen.
Armstrong bedauert seinen überharten Kampf gegen Widersacher. Die Art, wie er früher mit Leuten umgegangen sei, bezeichnet der Amerikaner als «inakzeptabel, unentschuldbar». Er sei zu einigen Menschen «ein Arschloch» gewesen. Betsy Andreu, Ehefrau des früheren Teamkollegen Frankie Andreu, warf dem einstigen Radstar vor, in schwierigen Situationen seinen Charme zu nutzen. «Er denkt, wenn er zeigen kann, dass er ein anderer Mensch ist, dann nutzt es ihm. Das Problem ist, dass er keine Glaubwürdigkeit hat», erklärte sie nach dem BBC-Interview.
Weiße Flecken hinterließ Armstrong in der Siegerliste der Tour de France zwischen 1999 und 2005. Seine aberkannten Triumphe wurden nicht neu vergeben, was Armstrong sich aber wünschen würde. «Das sage ich nur als Fan», betont er. Doch der Weltverband schloss diese Lösung 2012 aus. Auch die möglichen Nachrücker, etwa Jan Ullrich oder Alex Zülle werden mit Doping in Verbindung gebracht oder haben gestanden.