Tarbes (dpa/rad-net) - Im kommenden Jahr wird zum ersten Mal seit dem Telekom-Debüt 1992 kein deutsches Team am Start der Tour de France stehen.
Daran besteht nach dem jetzt auch offiziell erklärten kompletten Rückzug des Milram-Sponsors Nordmilch kein Zweifel mehr - auch wenn Team-Manager Gerry van Gerwen weiter mit unbestimmten Hoffnungen jongliert und Luftschlösser baut. Bis September will der Niederländer noch auf die Absage oder Zusage eines ominösen neuen Geldgebers warten, dessen Name vorerst geheim bleibt.
«Das ist spät, vielleicht zu spät», sagte van Gerwen und traf den Nagel damit auf den Kopf. «Das hört sich alles sehr vage an», befand Topsprinter Gerald Ciolek, der sich längst anders orientiert hat. «Das ist für den Radsport in Deutschland fatal», kommentierte Team- Kapitän Linus Gerdemann den Abstieg aus der Eliteliga.
Van Gerwen will beim Weltverband UCI einen Lizenzantrag zum 15. August stellen und die geforderten 200 000 Euro hinterlegen, um gerüstet zu sein, falls es wider Erwarten doch weitergeht. Aber der Fahrer-Markt wird zu diesem Zeitpunkt geschrumpft sein und dem womöglich neuen Finanzier könnte van Gerwen auch keine Tour-Teilnahme 2011 garantieren.
Die Tour-Organisation ASO lädt im kommenden Jahr die ersten 17 Mannschaften der Weltrangliste zum Saisonhöhepunkt ein. Vor der diesjährigen 97. Tour, bei der die bedauernswert überforderte Milram- Equipe nur hinterher strampelt, rangierte das einzige deutsche ProTour-Team auf Rang 22.
Die Fahrer, für die die Nachricht im bescheidenen Quartier an der Autobahn in Tarbes nicht überraschend kam, haben längst kapiert und sich in verschiedene Richtungen orientiert. Gerdemann («Ich komme gut mit den Schlecks aus») und Fabian Wegmann werden als Neuzugänge im künftigen Luxemburger Team um Andy und Frank Schleck gehandelt. Ciolek steht wohl vor einer Rückkehr zum T-Mobile- Nachfolger HTC Columbia. Im August soll der Vertrag perfekt sein.
«Das wäre eine Alternative. Ich habe auch andere und mache mir um meinen zukünftigen Arbeitsplatz keine Sorgen», sagte der Topsprinter, der keine Probleme hätte, «unter» Mark Cavendish zu fahren. «Ich bin schon zwei Jahre mit ihm gefahren. Wir kommen gut miteinander aus und respektieren uns», sagte Ciolek in Tarbes. Der Pulheimer, der bei der Tour noch auf seinen ersten Etappensieg in Bordeaux oder Paris hofft, ist in einer privilegierten Situation. Viele der 55 Milram- Angestellten haben dagegen massive Zukunftssorgen.
«Nordmilch hat den deutschen Radsport in den letzten
fünf Jahren kontinuierlich unterstützt und neben dem Engagement als
Hauptsponsor des Team Milram deutsche Radsportveranstaltungen und bis 2009 das
gleichnamige Continentalteam gefördert. Als Unternehmen
mit genossenschaftlichen Wurzeln trägt Nordmilch die Verantwortung, seine Mittel
im Sinne der Existenzsicherung der rund 7000 bäuerlichen Betriebe einzusetzen»,
hieß es in der Pressemitteilung des Bremer Konzerns, der rund acht
Millionen Euro pro Jahr in der investiert hat. Allerdings bewertete das
Unternehmen sein Sponsoring positiv: «Bei aller Verbundenheit mit dem Radsport war das Sponsoring von Anfang an mit klaren Marketingzielen verbunden und als Aufmerksamkeitsinstrument für Milram definiert. Diese Ziele wurden
erreicht: Das Engagement verzeichnete jährlich Mediagegenwerte
zwischen 50 und 60 Millionen Euro und trug mit dazu bei, dass der
Bekanntheitsgrad der Marke Milram in Deutschland heute bei
über 90% liegt.»