Wangen (dpa) - Die einheimischen Tour de France-Starter haben sich bei den deutschen Straßen-Meisterschaften eine Extraportion Selbstbewusstsein geholt. Nachdem Tony Martin seinen Zeitfahrtitel am Freitag souverän verteidigt hatte, schlug André Greipel am Sonntag zum ersten Mal zu.
Der gebürtige Rostocker holte sich in einem packenden Finish, das nicht durch vorbereitende Sprintzüge, sondern Kraft und Cleverness bestimmt war, seinen ersten Einzeltitel bei den Männern. Er setzte sich gegen Gerald Ciolek (Köln) und den Geheimfavoriten John Degenkolb (Gera) durch und fährt mit breiter Brust zum Tourstart nach Korsika.
«Das ist super!», waren seine ersten Worte nach dem Zieldurchlauf. Vor Adrenalin, aber auch vor Kälte zitternd, bedankte er sich dann bei seinem Teamkollegen Marcel Sieberg. Der lange Bocholter hatte sich zwei Kilometer vor dem Ziel aus der 17-köpfigen Spitzengruppe allein abgesetzt und die Konkurrenz zum Arbeiten gezwungen. Davon profitierte Greipel im Finish. «Es ging darum: Er oder ich. Wenn man nur mit zwei Leuten bei einem Rennen antritt, muss man so fahren. Entweder Marcel wäre durchgekommen oder dann ich. Das Meistertrikot gehört ihm zur Hälfte», sagte Greipel der Nachrichtenagentur dpa. «Ich habe es oft probiert, aber noch nie geschafft. Dass ich jetzt im Meistertrikot zur Tour fahre, macht mich sehr glücklich.»
Bei der am kommenden Samstag beginnenden 100. Tour wird es aber der bullige Wahlschweizer überstreifen und könnte für das lange nicht mehr gesehene Bild eines deutschen Meisters als Etappensieger bei dem wichtigsten Profirennen der Welt sorgen. Die Platzierten zeigten sich ebenfalls zufrieden. «Ich habe vorher gesagt, ich wollte aufs Podium kommen», sagte Degenkolb. «Ich muss mir nichts vorwerfen. Ich habe keine Fehler gemacht. Ich bin keineswegs enttäuscht, das ist man nur, wenns im Rennen nicht lief. Aber heute war es gut, und ich bin Zweiter», sagte San Remo-Sieger Ciolek, dessen Team nicht für die Tour nominiert ist.
Das über sechs Runden zu je 37,5 Kilometern führende Straßenrennen mit einer Gesamtdistanz von 225 Kilometern war lange von zwei Ausreißergruppen geprägt. In der zweiten, die sich zu Mitte des Rennen gebildet hatte, machte Rick Ampler, Sohn des einstigen Amateurweltmeisters Uwe Ampler, auf sich aufmerksam. Mit Björn Thurau, Sohn der Radsport-Legende Dietrich Thurau, sorgte ein weiterer Träger eines berühmten Namens als Verfolger zwischen Spitzengruppe und Hauptfeld zeitweise für Furore. Rick Zabel wurde nach einem Defekt von seinem Vater Erik schwungvoll wieder angeschoben.
15 Kilometer vor dem Ziel waren alle Ausreißer gestellt, Andreas Schillinger (NetApp) war der letzte Fahrer der Ausreißer, der sich tapfer an der Spitze hielt. Für die entscheidende Selektion des Hauptfeldes von ca. 50 auf 22 Fahrer hatte ein Antritt des Blanco-Profis Paul Martens gesorgt. Die Gruppe, darunter eben auch Vorjahressieger Fabian Wegmann, der viermalige Tour-Etappensieger André Greipel und sein Teamkollege Marcel Sieberg, Giro-Etappensieger John Degenkolb und sein Teamkollege Simon Geschke, der Sieger von Mailand-San Remo, Gerald Ciolek, und Marcus Burghardt, jagten dem Ziel entgegen und spurteten in Wangen um den Sieg.
Bei den Frauen hatte sich am Samstag Trixi Worrack die Meisterschaft gesichert. Die Cottbusserin wiederholte ihren Erfolg von 2003. Bemerkenswert dabei, dass ihr dies trotz weniger Wettkampfkilometer und einer Platte und einem Haken in der rechten Schulter nach gerade überstandenem Schlüsselbeinbruch gelang.