Lüttich (rad-net/dpa) - Mit einem beeindruckenden Ritt durch die Ardennen hat das belgische Supertalent Remco Evenepoel (Quick Step-Alpha Vinyl) seinen ersten großen Frühjahrsklassiker gewonnen und die Landsleute in Radsport-Euphorie versetzt. Der 22-Jährige, in seiner Heimat bereits als der neue Eddy Merckx gefeiert, holte sich nach 257,2 Kilometern und zehn giftigen Anstiegen den Sieg bei der 108. Auflage von Lüttich-Bastogne-Lüttich.
Evenepoel gewann im Alleingang vor seinen beiden Landsmännern Quinten Hermans (Intermarche-Wanty-Gobert) und Wout van Aert (Jumbo-Visma). Er war bei seiner Lüttich-Premiere eigentlich nur als Helfer von Weltmeister Julian Alaphilippe vorgesehen, doch nach einem schweren Sturz des Franzosen hatte der Jungstar freie Fahrt.
Nach rund 50 Kilometern waren mehrere Ausreißergruppen zusammengelaufen, sodass elf Fahrer an der Spitze des Rennens lagen, die bis zu sechs Minuten Vorsprung herausholten. An der Côte de Stockeu, rund 75 Kilometer vor dem Ziel, löste sich die Spitzengruppe allmählich auf, nur noch sechs Fahrer um Bruno Armirail (Groupama-FDJ) blieben vorne.
Überschattet wurde das Rennen gut 62 Kilometer vor dem Ziel von einem heftigen Massensturz, der auch die Hoffnungen von Alaphilippe zunichte machte. Der Franzose klagte über Rückenschmerzen und begab sich in einen Krankenwagen. Damit setzte sich seine Pleitenserie bei La Doyenne, dem ältesten Rad-Klassiker, fort. Den so sehnlichst erhofften Sieg bei seinem Lieblingsrennen hatte ihm 2021 Pogacar auf den letzten Metern weggeschnappt. Ein Jahr zuvor hatte Alaphilippe bereits die Arme zum Jubeln hochgerissen, als sich Primoz Roglic noch vorbeischob. Später wurde er sogar wegen eines Manövers im Zielsprint auf Platz fünf zurückversetzt.
Evenepoel sorgte schließlich 30 Kilometer vor dem Ziel, an der Côte de la Redoute, dem vorletzten Anstieg, für die Vorentscheidung, als er mit einer kraftvollen Attacke ausriss und in Zeitfahrer-Manier seinem bisher größten Erfolg entgegenfuhr. Am letzten Anstieg, der Côte de la Roche-aux-Faucons holte er mit Armirail den letzten Ausreißer ein und schüttelte ihn kurze Zeit später ab und hatte im Ziel 48 Sekunden Vorsprung. Im Ziel konnte er sein Glück kaum fassen und schlug die Hände vor das Gesicht.
Hinter ihm hatte sich eine rund 15-köpfige Verfolgergruppe gebildet, die um die Plätze zwei und drei fuhr. Im Sprint der Gruppe war Hermans vor Van Aert am schnellsten.
Deutsche Fahrer spielten nach der krankheitsbedingten Absage von Maximilian Schachmann, dem Lüttich-Dritten von 2019, keine Rolle bei der Entscheidung um den Sieg.