Gandia (dpa) - Im neuen Jan Ullrich-Team Coast rumort es. Nachdem vier ehemalige Coast-Profis angeblich fällige Zahlungen gerichtlich durchsetzen wollten, drohten auch aktuelle Fahrer im Coast-Trainingslager wegen ungeklärter Fragen einer Doppel-Versteuerung mit den selben Schritten.
«Das betrifft alle ausländischen Fahrer bei uns. Jetzt geht es wohl vor Gericht. Mir hängt die Sache total zum Hals heraus», schimpfte der zweifache Vuelta-Gewinner Alex Zülle (Schweiz) nach dpa-Anfrage. Nach einem stundenlangen Krisengipfel erklärte Coast-Sprecher Marcel Wüst in Gandia/Spanien: «Die Sache ist vom Tisch.»
Nach Informationen der spanischen Sportzeitung «AS» hätten alle sieben spanischen Coast-Fahrer 16 Prozent ihres Gehaltes von 2002 gefordert, die als Steuerabgabe von der Teamleitung zurückgehalten worden seien. In ihrem Heimatland hätten sie ein weiteres Mal Einkommenssteuer entrichten müssen, seien also doppelt besteuert worden. «Die Fahrer wussten doch alle, dass wir die 16 Prozent Mehrwert-Steuern einbehalten müssen. Das sieht ein Gesetz vom 1. Januar 2002 vor», sagte Wolfram Lindner, einer der sechs Coast-Teamleiter.
«Wir haben einem Großteil der Fahrer und ihrer Vertreter heute über Stunden die deutsche Steuer-Problematik klar machen können. Wir sind gegenüber dem Finanzamt zuständig für die Abführung der Mehrwertsteuern für die Fahrer. Wir gehen nicht davon aus, dass es bei den Fahrern jetzt noch gerichtliche Klärung der Sachlage bedarf. Wenn doch, dann sollen Gerichte Recht sprechen. Wir haben uns Gesetzeskonform verhalten und den Vorgaben des Weltverbandes gefolgt, die uns aufgefordert haben, nichts zu zahlen, was den Fahrern nicht zusteht», erklärte Wüst.
Das Profi-Team aus dem Ruhrpott, das auf einer spektakulären Präsentation den Neueinkauf Jan Ullrich vorstellte, der für drei Jahre mindestens fünf Millionen Euro erhalten dürfte, steht unter besonderer Beobachtung des Weltverbandes. Die UCI gewährte Coast am 10. Januar erst im zweiten Anlauf die Erstliga-Lizenz unter Auflagen. «Der Streit betrifft Jan nicht - da geht es nur um die ausländischen Fahrer», hatte Ullrich-Manager Wolfgang Strohband, zur Zeit auch in Gandia, erklärt.
Bei Coast fahren neben sieben Spaniern, noch zwei Schweizer, und jeweils ein Italiener, Schwede und Däne. Am Dienstag gaben sich im Frühstücks-Raum des Coast-Hotels die Anwälte der Fahrer die Klinke in die Hand. Während sich Ullrich und der Vuelta-Sieger von 2001, Luis Casero (Spanien), zu einer dreistündigen Trainingsrunde aufgemacht hatten, tagten hinter verschlossenen Türen Coast-Chef Günther Dahms, Wüst, Teamchef Rudy Pevenage, Strohband und einige Fahrer und ihre Anwälten.
«Wenn ich mein Geld nicht bekomme, fahre ich nicht mehr», sagte der spanische Profi Aitor Garmendia, im Vorjahr Zweiter der Deutschland-Tour. «Was mit Garmendia wird, weiß ich noch nicht. Mit ihm haben wir noch ebenso wenig gesprochen wie mit Casero», sagte Wüst. Der inzwischen nicht mehr aktive ehemalige Coast-Profi Fernando Escartin aus Spanien, 1999 dritter der Tour de France, hatte erklärt: «2001 musste ich in Spanien 48 Prozent Steuern zahlen. Ich sehe nicht ein, dass ich jetzt auf weiteres Geld verzichten soll. Wir sind im Recht.»