Stuttgart (dpa) - Der olympische Gold-Vierer steht vor der Wiedervereinigung, die Sprinter duellieren sich auf Spitzenniveau und die Funktionäre arbeiten auf Hochdruck: Als WM-Generalprobe haben die deutschen Meisterschaften in Stuttgart die Hoffnung auf ein Ende der drei Jahre währenden titellosen Zeit genährt.
«Wir haben klare Vorgaben, dass wir hier um Gold fahren wollen. Wir hatten zwei Jahre Zeit zum Experimentieren. Jetzt wird abgerechnet. Einmal Gold ist mindestens Pflicht bei den WM. Viele Ergebnisse lassen uns positiv gestimmt sein», erklärte Burckhard Bremer, Sportdirektor im Bund Deutscher Radfahrer (BDR).
Mit den glanzvollen Auftritten von Rückkehrer Daniel Becke und Jens Lehmann in der 4000-m-Einzelverfolgung sowie den mitreißenden Sprints von Rene Wolff und Jens Fiedler können sich die WM- Organisatoren acht Wochen vor den Titelkämpfen noch nicht messen. «Ich vergleiche das mit einem Puzzle: Wir haben gerade den Rand gelegt. Aber wir sind nicht im Chaos. Wir sind auf einem guten Weg. Aber die WM wird keine Glamour-Geschichte», urteilte Bremer.
Und Präsidentin Sylvia Schenk ergänzte: «Im Moment gehen wir auf dem Zahnfleisch. Irgendwelche organisatorischen Mängel wird es immer geben, aber es kommt darauf an, ob man das auch merkt. Die Stuttgarter haben den Ehrgeiz zu zeigen, dass es keine Not-WM ist.» Stuttgart hatte die Titelkämpfe (30. Juli bis 3. August) kurzfristig vom chinesischen Shenzhen übernommen, nachdem der Weltverband UCI die dort geplante WM wegen der Lungenkrankheit SARS abgesagt hatte.
Sportlich hingegen sind die Aussichten bereits goldig. Rene Wolff löste zum Abschluss der deutschen Meisterschaften Jens Fiedler als «König der Sprinter» ab. Der Erfurter krönte sich mit dem Sprint-Sieg durch 2:1 Lauferfolge über den zweifachen Olympiasieger aus Chemnitz. Wie Fiedler im Vorjahr gewann der WM-Dritte im Keirin damit drei Titel, nachdem der 25-Jährige zuvor im Keirin sowie im Teamsprint mit Matthias John und Michael Seidenbecher siegte. «Ich hatte gehofft, dass ich einen Titel kriege. Aber dass es 3:0 wird, hätte ich nicht gedacht», sagte Wolff.
«Ich habe drei Titel verloren, aber ich bin besser drauf als im vorigen Jahr. Da habe ich drei Titel gewonnen und bin eine bescheidene WM gefahren. Wenn es dieses Jahr umgekehrt ist, werden mich alle lieb haben», verkündete der 33 Jahre alte Fiedler als dreifacher Zweiter. Die beiden schnellen Rivalen werden nun die WM- Vorbereitung gemeinsam bestreiten und streben bei den Titelkämpfen Gold und Silber an. «Wir werden alles dafür tun», verprach Wolff.
Diesen Ansprüchen stehen die Verfolger nicht nach. Der Erfurter Daniel Becke gewann drei Jahre nach seinem letzten Bahnrennen die Einzelentscheidung in 4:19,449 Minuten vor dem WM-Dritten Jens Lehmann (Leipzig). Lehmann führte zudem das Team Köstritzer in der Weltklassezeit 4:07,680 Minuten zum Mannschaftserfolg.
Lehmann und Becke sind für den WM-Vierer ebenso gesetzt wie der Berliner Guido Fulst. «Es wäre ein Fehler auf Becke zu verzichten. Und Fulst ist vorn nicht wegzudenken. Keiner kann den Vierer so anfahren wie er», erklärte Bundestrainer Bernd Dittert. Mit dem Potsdamer Robert Bartko hat zudem der Vierte im Bunde des olympischen Gold-Vierers von Sydney seine Rückkehr angekündigt. «Robert wird von mir ein Angebot bekommen. Er möchte auf jeden Fall bei den WM fahren», berichtete Dittert, «anhand der hier bei den deutschen Meisterschaften gefahrenen Zeiten werden wir ihm ein erreichbares Ziel setzen.»