Witzenhausen (dpa) - Schulklassen wurden hinter die Kulissen geführt, Tour-Direktor Kai Rapp brachte seinen Nachwuchs mit, und der vierfache Familienvater Jens Voigt gewann in Goslar: Besser hätte die Deutschland-Tour ihr Motto «Tag des Kindes» nicht erfüllen können.
Ebenfalls passend zum Thema war auf dem Marktplatz im beschaulichen Minden zum Start der 2. Etappe ein Kamerateam von «Spiegel TV» unterwegs. «Heute schon gedopt?» wollten die Reporter von den verdutzten Radprofis wissen. «Ja, direkt nach dem Zähneputzen», antwortete der Aktivensprecher und spätere Etappensieger Voigt ebenso flapsig wie wahrscheinlich nicht wahrheitsgetreu. Eigentlich ist der CSC-Profi für jedes Mikrofon zu haben, aber diesmal legte Voigt nicht viel Wert auf das spontane Interview. Auch Erik Zabel reagierte genervt auf die investigativen Journalisten. Sein Sprinter-Kollege Sven Teutenberg fand die Aktion «zwar auch ein bisschen bescheuert», aber er zeigte auch Verständnis: «Schließlich haben wir Radprofis ja selber dafür gesorgt, dass jetzt so etwas gefragt wird.»
Ernsthafter, aber auch «in netter Atmosphäre», wie der Arzt meint, geht es in dem geräumigen Gelenkbus direkt am Ziel zu, in dem der Mediziner Wolfgang Barz Dienst tut. Der Arzt aus Passau leitet zusammen mit dem UCI-Beauftragten Marc Vandevyvere (Belgien) die Doping-Kontrollen. Nach jeder Etappe werden der Tagessieger, der Träger des Gelben Trikots und drei geloste Fahrer getestet.
«Ich habe noch bei keinem Fahrer besondere Aufgeregtheiten wegen der im Moment besonderen Präsenz des Doping-Themas bemerkt», sagte Barz, der viel Verständnis für die Profis hat - nicht nur weil der 53-Jährige den Weltrekord im 24-Stunden-Ergometer-Fahren (1090 Kilometer) hält: «Die Jungs müssen hart arbeiten, relativ viele haben Asthma-Probleme und nehmen erlaubte Mittel dagegen.» Bisher blieben die Urinproben, die ins Anti-Doping-Labor nach Köln geschickt werden, negativ - die Auswertung dauert fünf bis sieben Tage. Unangemeldete Blut-Kontrollen fanden bei der Deutschland-Tour noch nicht statt.
Am 5. August in Bad Tölz findet unter der Regie des deutschen Verbands-Präsidenten Rudolf Scharping der zweite «Runde Tisch» des deutschen Radsports zur Doping-Prävention statt. «Wir haben bei unserem ersten Treffen am vergangenen Samstag in Hamburg Hausaufgaben aufbekommen», erklärte Christian Hinzpeter, der Kommunikationsleiter der Deutschland-Tour, der zusammen mit den Team-Leitern, Renn-Veranstaltern und Fahrer-Sprecher Voigt geladen ist.
Hinzpeter («500 000 Zuschauer bei der Regenetappe nach Bielefeld») fiel in augenblicklich schweren Zeiten bereits ein kleiner Stein vom Herzen. Die Tour, die ums Überleben kämpft, erfreut sich weiterhin offensichtlich regen Zuschauer-Zuspruchs, auch wenn einige Fans scheinbar kritischer geworden sind. «Ullrich, Basso, Landis - Betrüger auf zwei Rädern» und «Kämpft für euren Sport» als Aufforderung für die Protagonisten der belasteten Branche stand auf Spruchbändern. Auch die ARD registrierte bisher fast die Zuschauer- Quoten des vergangenen Jahres, als Jan Ullrich noch vor den Apparat lockte.