Oberursel (dpa) - Comeback offen - John Degenkolb legt sich noch nicht fest. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach dem Horror-Crash vom 23. Januar trug der Radprofi seinen lädierten Zeigefinger der linken Hand noch in einer Schiene, aber die Rückkehr in den Sattel steht unmittelbar bevor.
«Seit gestern habe ich das Okay, wieder trainieren zu können. Wenn alles normal läuft, werde ich in acht bis zehn Wochen wieder Rennen fahren», sagte der 27-Jährige im hessischen Städtchen Oberursel, wo der Kapitän des deutschen Giant-Alpecin-Teams seit zwei Monaten wohnt.
Den 23. Januar erlebte er wie einen wahrgewordenen Alptraum. Im Wintertrainingslager von Calpe/Spanien war eine betagte Britin mit ihrem Van in eine Trainingsgruppe der Mannschaft gerast. Sechs Fahrer wurden zum Teil schwer verletzt. Degenkolb erlitt einen Unterarmbruch und hätte fast die Kuppe eines Zeigefingers verloren. Er musste sich in Valencia und Hamburg insgesamt fünf Operationen unterziehen. Um den Finger wieder zu stabilisieren, war ihm Knochensubstanz aus der Hüfte entnommen worden. «Ob er wieder voll funktionsfähig wird, steht noch nicht fest», erklärte Degenkolb mit Blick auf den Finger.
Im Vorjahr hatte der Profi Mailand-Sanremo (nächste Auflage am Samstag) und Paris-Roubaix gewonnen. Die Frühjahrs-Klassiker müssen in diesem Jahr ohne ihn stattfinden. «Die Klassiker sind abgehakt. Jetzt konzentriere ich mich auf mein zweites großes Saisonziel: die Tour. Aber ich gebe keine Prognosen ab», erklärte Degenkolb im barocken Hochzeitssaal des Alten Brauhauses von Oberursel.
Der Klassiker-Spezialist schätzt, dass «ich den Unfall gut verarbeitet habe, weil ich viel darüber gesprochen habe - mich plagen keine Alpträume». Degenkolb erklärte, jetzt dennoch eine «andere Perspektive auf das Leben und die Familie» zu haben. Sportlich hofft er, «so stark zurückzukommen wie ich war. Aber Garantien gibt es nicht».
Der ebenfalls schwer verletzte Neo-Profi Max Walscheid geht nach einem Schienbeinbruch noch an Krücken, kann aber schon wieder «leicht auf der Rolle trainieren». Sein Comeback-Ziel sind die deutschen Straßenmeisterschaften Ende Juni in Thüringen. «Ich habe noch Schmerzen», sagte Walscheid am Dienstag in Heidelberg der Deutschen Presse-Agentur. Er hatte sich auch komplizierte Brüche am Daumen und einem Mittelhandknochen zugezogen.
«Der schwere Wagen fuhr auf der linken Seite voll auf uns zu, als wir in einer Senke um eine Kurve bogen», erinnerte sich Walscheid an den Unfall-Hergang. Die Anwälte des Teams versuchen zur Zeit die juristische Seite des Falles mit der gegnerischen Versicherung zu klären. Das bestätigte Teamsprecher Peter Reef.