Berlin/Huy (dpa) - Während die einheimischen Top-Teams T-Mobile und Gerolsteiner die Szene seit Wochen eindrucksvoll beherrschen, musste Jan Ullrich seinen Rückstand im «Unternehmen Toursieg» eingestehen.
Der deutsche Profi-Radsport boomt, aber sein Tempomacher Jan Ullrich schwächelt. «Das war noch eine Nummer zu hoch für mich», sagte der 30-jährige Olympiasieger. Die 68. Ausgabe des Flèche Wallonne, bei dem Gerolsteiner-Kapitän Davide Rebellin einen eindrucksvollen Sieg drei Tage nach seinem Erfolg beim Amstel Gold Race feierte, hatte er nach 100 km hoffnungslos abgeschlagen abbrechen müssen.
Im Vorjahr hatte Ullrich als 31. mit geringem Abstand zum Sieger an gleicher Stelle wesentlich besser ausgesehen, obwohl der Toursieger von 1997 im Dezember so früh wie nie mit seinen Testfahrten begonnen hatte. «Jetzt haben wir wieder die Schwierigkeit, dass jeder weitere Zwischenfall ernste Probleme bringen wird», sagte sein persönlicher Betreuer Rudy Pevenage, der auch die Absage des geplanten Weltcup-Einstieg Ullrichs in Lüttich verdauen musste. An den bekannten Querelen im Hintergrund - Team-Manager Walter Godefroot hält Pevenage weiter außen vor - könne der augenblickliche Leerlauf nicht liegen. «Davon fährt man doch nicht langsamer», meinte der Ullrich-Intimus.
Der Italiener Rebellin setzte nach dem Sieg Steffen Wesemanns bei der Flandern-Rundfahrt, dem Erfolg Erik Zabels in Köln und dem Etappenerfolg zum Auftakt der Niedersachsen-Rundfahrt durch Danilo Hondo die Erfolgsserie des hiesigen Radsports nach dem perfekten Saisonstart von Jörg Jaksche und Jens Voigt fort. Sein Teamchef Hans-Michael Holczer hatte sich schon nach dem Weltcup-Erfolg des Venezianers am vergangenen Sonntag - dem ersten überhaupt für das Team aus der Eifel - vor lauter Freude eine Glatze schneiden lassen.
«Jetzt ist Davide in Lüttich Topfavorit, auch wenn er markiert wird wie der Torschützen-König der Fußball-Weltmeisterschaft im Finale. Es hat sich gelohnt, weiter auf ihn zu setzen, als es zu Anfang aus Krankheitsgründen bei ihm nicht so lief», sagte «Kojak» Holczer. Für so viel Vertrauen bedankte sich der Millionen-Einkauf Rebellin bei seinem Team. Seinen Vertrag hatte er kürzlich bis 2005 verlängert, auch wenn Prämien bei Gerolsteiner laut Holczer für außergewöhnliche Leistungen wie in anderen Teams nicht üblich sind.
Ullrich, der schon bei seiner zurückhaltenden Vorstellung Ostermontag in Köln von Eddy Merckx heftig kritisiert wurde («Zu viel Gewicht, zu wenig Rennen»), gibt seiner Umgebung wieder ein Mal kleine Rätsel auf. Sein Teamchef bekommt aber zweieinhalb Monate vor Tourstart angeblich noch keine tiefen Sorgenfalten. «Natürlich hatten wir damit gerechnet, dass es bei ihm schon besser geht, aber es besteht kein Grund zur Panik. Ihm fehlen Kilometer. Er hatte von Januar bis Februar in seiner Vorbereitung wegen Erkältungen kleinere Ausfälle», sagte Mario Kummer. «Fixpunkte seiner Tour-Vorbereitung sind jetzt Deutschland-Rundfahrt und Tour de Suisse.»
Die labile Situation seines damaligen Rennstalls Bianchi hatte im Vorjahr sicher mit dafür gesorgt, dass sich Ullrich besonders beweisen wollte und ein sensationelles Comeback nach langer Renn- Abstinenz hinlegte. Mit der Unterschrift bei T-Mobile unter einen Drei-Jahres-Vertrag und der Rückkehr in seine alte Umgebung scheint der alte Schlendrian wieder eingekehrt zu sein. Trotz wenig ermutigender Vorzeichen ist sich Holczer sicher: «Bei der Tour fährt Ullrich alle einschließlich Armstrong in Grund und Boden.»