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Ullrich reicht 2004 dem späteren Tour-Sieger Armstrong auf der Schlussetappe die Hand.
22.06.2006 13:40
Ullrich will den Tour-Sieg

Berlin (dpa) - Acht Tage vor dem Endspiel um die Fußball-WM müssen die deutschen Sportfans ihre Liebe teilen: Jan Ullrich dreht bei der 93. Tour de France wieder am großen Rad - vielleicht zum letzten Mal.

Der T-Mobile-Kapitän wird wahrscheinlich erst am 23. Juli beim Finale auf den Champs Elysées offen legen, ob weiter mit ihm zu rechnen sein wird. Im Jahr eins nach Lance Armstrong, der ihn in Frankreich fünf Mal bezwang, will Ullrich endlich seinen zweiten Tour-Sieg nach 1997. Gut möglich, dass der im Dezember 33 Jahre alt werdende Rostocker abtritt, wenn ihm die Gala in Paris nach 3656 Kilometern gelingt. Sein Vertrag läuft zum Jahresende aus und bisher äußerte er sich mehrdeutig. «Vielleicht fahre ich noch ein, zwei Jahre weiter», sagte Ullrich nach dem Giro d'Italia. Im Monats-Magazin «GQ» erklärte er kürzlich: «Das Ideale wäre, mit einem extrem großen, gigantischen Sieg abzutreten.»

Das erste Rennen nach der Tour hat der T-Mobile-Kapitän bereits geplant. Zwei Tage nach dem Ende der Frankreich-Schleife will Ullrich am 25. Juli beim Altstadt-Kriterium in Graz an den Start gehen, teilten die österreichischen Veranstalter mit. Ullrich war auch in den vergangenen beiden Jahren in Graz gefahren. 2005 musste das Rennen aber wegen heftiger Gewitter abgebrochen werden.

Fast wie Kaffeesatzlesen ist Ullrichs sportliche Standortbestimmung zum Tour-Start am 1. Juli in Straßburg. Wieder ein Mal gelang dem beliebtesten deutschen Radprofi ein Formaufbau mit spannendem Auf und Ab. Wegen einer Kniereizung stieg er erst bei der schwierigen Tour de Romandie Anfang April in die Wettkampfsaison 2006 ein. Er quälte sich noch etwas übergewichtig bis ins Ziel. Gleich im Anschluss beim Giro d'Italia zeigte er einen Aufwärtstrend und bezwang seinen vermeintlichen Hauptwidersacher bei der Tour, den Italiener Ivan Basso, mit einem überraschenden Sieg im Zeitfahren. Seine dritte Vorbereitungs-Rundfahrt in Serie, sein Lieblingsrennen Tour de Suisse, schloss der Wahlschweizer wie 2004 mit dem Gesamtsieg ab. Dabei machte er auch bei den Anstiegen eine gute Figur und Appetit auf mehr.

Dass in Ullrichs Umfeld wieder von einer Super-Form «wie 1997 oder 2003» (Teamchef Rudy Pevenage) geredet wird, sollte vielleicht nicht zu hoch bewertet werden. Das gehört inzwischen zum Ritual. Aber die Indizien deuten darauf hin, dass der einzige noch aktive Toursieger im Peloton dem überlegenen Giro-Gewinner Basso tatsächlich einen heißen Kampf liefern wird.

Der Italiener, der das Double anstrebt, das zuletzt seinem inzwischen gestorbenen Landsmann Marco Pantani gelang, ist im Schatten von Armstrong groß geworden. 2004 wurde Basso in Paris Dritter, im Vorjahr Zweiter. Jedes Mal ließ er dabei Ullrich hinter sich. Vielleicht entscheidet nicht nur die Stärke der Team- Kapitäne, sondern auch die Güte der Mannschaften T-Mobile und CSC über den Ausgang der Tour, die ohne den Dominator aus Texas auf jeden Fall mehr Spannung als in den vergangenen Jahren verspricht.

Mindestens eine Hand voll Fahrer haben die Möglichkeit, das von vielen prognostizierte Duell zu verhindern. Gerade wegen des vakanten Platzes auf dem Tour-Chefsessel sind Überraschungen für die 20 Etappen programmiert. Dafür wollen Ullrichs früherer Mannschaftskollege Alexander Winokurow - wenn er wegen der Verstrickung seines Team- Managers in die spanische Doping-Affäre starten darf -, der spanische ProTour-Spitzenreiter Alejandro Valverde und die Amerikaner Floyd Landis, Levi Leipheimer (von Gerolsteiner) und George Hincapie sorgen. Auch der nach der Doping- Affäre um Roberto Heras nachträglich zum Vuelta-Sieger 2005 erklärte Denis Mentschow (Russland) und der Spanier Francesco Mancebo schielen auf das Gelbe Trikot.

«Mein größter Wunsch ist noch ein Mal der Toursieg», versichert Ullrich, der die letzten Tage vor der Anreise am kommenden Mittwoch vor seiner Haustür am Bodensee die finalen Trainingseinheiten einlegt. Die ersten 23 Tage im Juli werden zeigen, ob Form und Motivation diesmal reichen, die Konkurrenz in die Knie zu zwingen. Sein ehemaliger Teamkollege Bobby Julich, jetzt wichtiger Basso- Helfer, bezweifelt die rechte Einstellung seines Ex-Chefs: «Jan gibt das Minimum, um das Maximum zu erreichen. Er liebt nicht, was er tut.»


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