Berlin (dpa) - Der unter Dopingverdacht stehende Radprofi Jan Ullrich will gegen den Schweizer Radsport-Verband Swiss Cycling vorgehen. «Gegen die von dem Verband permanent angeheizte Rufmordkampagne werde ich mich zur Wehr setzen», kündigte Ullrich auf seiner Internetseite an.
Der Tour-de-France-Gewinner von 1997 habe «mit großem Erstaunen» Medienberichte zur Kenntnis genommen, wonach der Schweizer Verband ein Dopingverfahren gegen ihn fortsetzen wolle.
«Tatsächlich ist bisher ein Verfahren gegen Jan Ullrich überhaupt noch nicht eingeleitet worden», hieß es auf Ullrichs Homepage. Wegen seines Wohnsitzes in Scherzingen ist der gebürtige Mecklenburger in den vergangenen Jahren mit einer Schweizer Lizenz gefahren. Swiss Cycling verfügt nach eigenen Angaben jedoch mittlerweile über «ein vervollständigtes Dossier zu den Dopingvorwürfen» gegen den 32 Jahre alten Profi.
Der Verband hatte das Dossier komplett der Fachkommission für Dopingbekämpfung von Swiss Olympic (FDB) übergeben. Dieses Gremium des Schweizer Sport-Dachverbandes arbeitet als Untersuchungsbehörde. Dort werden die Fälle beurteilt und an die zuständige Disziplinarkammer für Dopingfälle von Swiss Olympic weitergegeben. Das Dossier ist von der FDB noch nicht übergeben worden, da es keine positive Dopingprobe gebe, hieß es auf der Internetseite von Swiss Olympic. Möglicherweise gebe es aber Indizien für die Einnahme von unerlaubten leistungsfördernden Mitteln.
Deshalb wird die FDB das Dossier erst nach «Vervollständigung an die Disziplinarkammer übergeben». Der Zeitpunkt sei aber noch offen. Die FDB warte noch auf nachgeforderte Unterlagen und Beweismittel aus Deutschland und Spanien. «In der Zwischenzeit sind auf Grund der laufenden Voruntersuchungen keine weiteren Informationen möglich», hieß es bei Swiss Olympic.
Nach einem Bericht der «Süddeutschen Zeitung» sind weitere Indizien gegen Ullrich aufgetaucht. Das Blatt bezieht sich auf ein der deutschen Justiz vorliegendes Protokoll eines Expertentreffens im September in der Madrider Direktion der Guardia Civil. Demnach seien die Spanier «offenbar in der Lage, Ullrichs Aufenthalte in Madrid zu dokumentieren», schrieb die Zeitung. Dort soll Ullrich mehrfach Kontakt zum Doping-Arzt Fuentes gesucht und dem Spanier 120 000 Euro im Jahr für dessen Dienste bezahlt haben.
Nach Informationen des Blattes liegt den Schweizer Behörden inzwischen auch eine DNA-Probe von Ullrich vor. Ihre Existenz war zwischenzeitlich bestritten worden, da Ullrich bei der Polizei-Razzia Mitte September in seinem Schweizer Haus nicht anwesend war. Der Profi habe jedoch nach seiner vorzeitigen Rückkehr aus den Flitterwochen bei der Schweizer Polizei eine vom Richter angeordnete Speichelprobe abgeben müssen. Ullrich hatte den DNA-Test abgelehnt und dafür sogar seine Suspendierung von der Tour de France in Kauf genommen. Mit dem genetischen Fingerabdruck ließe sich ein Abgleich mit den in der Praxis von Fuentes sichergestellten Blutkonserven herstellen, die laut Guardia Civil Ullrich zuzuordnen sind.
Nach Informationen der «Welt am Sonntag» haben sich die spanischen Fahnder Rat bei deutschen Experten zur Liste der bei Razzien sichergestellten Substanzen eingeholt. Unter den Mitteln seien auch drei molekularbiologische Produkte aus bislang geheimen Labors in China. Zudem führe eine weitere Spur nach Frankfurt am Main, wo Fuentes in einem Hotel nahe des Flughafens eine Dependance zu Dopingzwecken unterhalten habe, berichtete das Blatt.
Trotz der sich mehrenden Indizien kann Ullrich seine Karriere möglicherweise fortsetzen. Bis ein strafrechtliches Verfahren gegen den Radprofi abgeschlossen ist, kann keine Sperre verhängt werden. Der von seinem T-Mobile-Team suspendierte Fahrer hatte bereits angekündigt, demnächst wieder eine Lizenz zu beantragen. Allerdings haben sich die Spitzenrennställe in einem Ethik-Code darauf verständigt, keinen unter Dopingverdacht stehenden Profi unter Vertrag zu nehmen.