Innsbruck (dpa) - Der unter Dopingverdacht stehende und von T-Mobile entlassene Jan Ullrich hat offenbar ernsthaft seine Fühler nach Österreich ausgestreckt. Der Toursieger von 1997 hat angeblich beim dortigen Radsport-Verband ÖRV nach einer Lizenz anfragen lassen.
Außerdem soll Ullrich Kontakte zum Zweitliga-Team Volksbank geknüpft haben. «Vorarlberg online» zitierte den Team-Manager Thomas Kofler, der die über einen Mittelsmann erfolgte Anfrage bestätigte. «Über das Finanzielle» sei aber noch nicht im Detail gesprochen worden und ohnehin müsste erst die sportrechtliche Situation um Ullrich abgewartet werden.
«Im Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung: Wenn Ullrich in Österreich lebt und eine Lizenz beantragt, wird er sie auch erhalten», zitierte die Tiroler Zeitung «Die Neue» den ÖRV-Verbands-Generalsekretär Rudolf Massak. Der Funktionär bestätigte gegenüber der österreichischen Agentur APA eine entsprechende Anfrage des Ullrich-Managers Wolfgang Strohband, die dieser umgehend dementierte. Massak wollte in einer Pressemitteilung ausdrücklich festgehalten haben, dass es sich keineswegs um eine Einladung «an Herrn Ullrich» handelte, sondern er lediglich zur Gesetzeslage Stellung nahm.
«Die Welt» präsentierte ein Zertifikat des in der spanischen Doping-Affäre ermittelnden Untersuchungsgerichts, nach dem Ullrich weder als Beschuldigter geführt wird, noch gegen ihn bisher irgendwelche Maßnahmen eingeleitet worden seien. Das stand allerdings nie zur Debatte. Das zuständige Gericht hatte schon kurz nach der Tour de France erklärt, die in der Affäre genannten Radprofis, darunter Ullrich, würden höchstens als Zeugen befragt. Juristisch ermittelt wird in Spanien ausschließlich gegen die fünf Hauptbeschuldigten mit dem Mediziner Eufemiano Fuentes an der Spitze.
Trotzdem dienen die von der spanischen Polizei zusammengetragenen Indizien gegen Ullrich zusammen mit Erkenntnissen deutscher Staatsanwaltschaften dazu, ein Sportgerichtsverfahren am Wohnort des Radprofis in der Schweiz einzuleiten. Auch durch Umzug - beispielsweise nach Österreich - könnte sich Ullrich dem nicht entziehen. Der Schweizer Radsport-Verband Swiss Cycling rechnet nach Informationen der «Süddeutschen Zeitung» bis zum Jahresende mit der Eröffnung eines Sportgerichtsverfahrens gegen Ullrich durch die Disziplinarkammer des eidgenössischen NOKs.
In Deutschland sind zivilrechtliche Ermittlungen gegen den von T-Mobile entlassenen Ex-Kapitän anhängig. Bei dem Sportverfahren in der Schweiz droht Ullrich als Wiederholungstäter eine lebenslange Sperre. Das Ergebnis der möglichen Verhandlung wolle auch der ÖRV laut Massak vor einer eventuellen Lizenzerteilung abwarten.
Ullrich, der zusammen mit weiterer Fahrer-Prominenz Kunde des Drogen-Kartells um Fuentes gewesen sein soll, lebt seit einigen Jahren in Scherzingen am Schweizer Teil des Bodensees. Er und sein Manager Strohband erklärten mehrfach ein Interesse an der Fortsetzung der Sport-Karriere. «Jan ist nicht mit der Schweiz verheiratet, nur mit Sara», sagte Strohband kürzlich, nachdem Ullrich die Schweizer Lizenz zurück gab. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) hatte eine Lizenz-Erteilung für sein ehemaliges Aushängeschild ausgeschlossen.
Ullrichs ehemaliger Team-Kollege Oscar Sevilla, der zusammen mit dem Toursieger von 1997 einen Tag vor dem Start der Frankreich-Rundfahrt in Straßburg zusammen mit sieben weiteren Fahrern ausgeschlossen worden war, will wieder fahren. Das kündigte der Spanier auf der Internetseite «cyclingnews» an. Der ÖRV muss im Zuge der Doping-Affäre auch über den mit einer österreichischen Lizenz ausgestatteten Ansbacher Radprofi Jörg Jaksche entscheiden.