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Jan Ullrich schaut auf ein Logo seines Teams mit einem Bild von ihm selbst auf einem Rad.
04.07.2003 17:45
Ullrich: Jubiläums-Tour wie Wundertüte

Paris (dpa) - Die Jubiläums-Tour ist für Jan Ullrich wie eine Wundertüte: Ohne ein formuliertes Ziel oder eine Prognose nimmt der gebürtige Rostocker seine sechste Tour de France in Angriff.

«Ich weiß selbst nicht, wo ich stehe und lasse mich überraschen. Aber ich werde schon deshalb eine gute Tour fahren, weil ich so schnell wie möglich nach Paris kommen will, um wieder nach Hause zu meiner Familie zu kommen», sagte der 29-jährige Olympiasieger, der zum ersten Mal Vater geworden war. «Ich habe noch zwei oder drei Jahre, um die Tour zu gewinnen. Dann ist sicher auch meine Karriere beendet», sagte Ullrich, der 2002 nach zwei Knie-Operationen und wegen seiner Doping-Sperre fehlte, am Freitag in Paris.

Über einen möglichen Erfolg beim 100. Geburtstag der Tour, dem ihm unter anderen auch der fünfmalige Toursieger Miguel Indurain zutraut, mag Ullrich nicht reden. Die Vorbereitung auf die laufende Saison mit zwei Teamwechseln innerhalb von fünf Monaten und vorangegangener 14- monatiger Inaktivität sei bekanntlich alles andere als optimal gelaufen. Allerdings scheint Ullrich daraus auch Substanz gezogen zu haben: «Diese Zeit hat viel Kraft und Nerven gekostet. Aber das motiviert auch, und unser Plus bei dieser Tour ist vielleicht unsere Unberechenbarkeit.» Ullrich wirke mental und physisch sehr stark, meinte Indurain am Freitag. «Die Familie ist sehr wichtig für ihn, weil sie ihm Stabilität gibt. Natürlich gibt es Fahrer, die Armstrong schlagen können - dazu gehört auch Jan.»

Beim 6,5 km langen Prolog, mit dem die 90. Tour ab 15.50 Uhr eröffnet wird, will Ullrich «Vollgas fahren». Aber seine Risiko-Bereitschaft, schon auf den ersten von 3361 km alles auf eine Karte zu setzen, gehe nicht so weit, «in den Kurven einen Sturz zu riskieren. Da verzichte ich lieber darauf, alles zu geben», meinte Ullrich am Freitag nach dem medizinischen Check seiner Bianchi- Mannschaft im Pariser Parc des Expositions. Bei seinem letzten Tour- Auftritt 2001 belegte er zum Start Rang vier.

Bedenken wegen mangelnder Team-Fähigkeit der spanischen Mitglieder der Mannschaft versuchte Co-Kapitän und Vuelta-Gewinner Angel Casero zu zerstreuen: «Wir sind hier als Team am Start und werden zusammenarbeiten. Es ist doch egal, wer von uns auf dem Podium steht, Hauptsache ein Bianchi-Fahrer.» Die große Harmonie in dem neu gegründeten Team versuchte auch der vorletzte italienische Toursieger Felice Gimondi zu demonstrieren, der Ullrich eine Nachbildung seines alten Bianchi-Trikots von 1965 schenkte, mit dem er in Frankreich gesiegt hatte.

Vor genau einem Jahr saß Ullrich zur gleichen Zeit in Frankfurt am Main und legte nach seiner Ecstasy-Affäre eine Fernseh-Beichte ab. «Vor einem Jahr in Frankfurt war es nicht so angenehm wie jetzt», sagte Ullrich am Freitag auf einer Pressekonferenz in Paris. «Ich habe damals gesagt, dass ich zurückkomme, wenn mein Knie hält. Ich hatte eigentlich nie Zweifel an meiner sportlichen Zukunft», sagte Ullrich im Rückblick auf die unangenehmste Zeit seiner achtjährigen Profi-Karriere.

Die kommenden drei Wochen würden ihn wieder «mehrere Monate seines Lebens kosten» - aber das nimmt der einzige deutsche Toursieger mit Blick auf seinen Erfolg von 1997 in Kauf: «Das war gigantisch.» Ullrich soll bei dieser Tour nach den Worten des Team-Managers Jacques Hanegraaf (Niederlande) «wieder beweisen, wo er hingehört, um im nächsten Jahr vielleicht sogar zu gewinnen.»


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