Tour (dpa) - Im Kampf gegen Lance Armstrong droht Jan Ullrich ein neuer Rückschlag. Nur drei Tage nach dem aus Sicht der deutschen Tour-Hoffnung ernüchternden Auftakt bittet der schier übermächtige Amerikaner beim Mannschaftzeitfahren zum nächsten Duell.
Verläuft dieser Wettbewerb ähnlich wie in den vergangenen Jahren, als das Armstrong-Team der Konkurrenz auf und davon fuhr, dürfte es bei T-Mobile wieder lange Gesichter geben. Von solch wenig verheißungsvollen Prognosen will Teamchef Mario Kummer jedoch nichts wissen: «Warum sollen wir an diese Aufgabe so negativ rangehen. Für uns ist es realistisch, unter die ersten sechs zu kommen.»
Eine Domäne des Bonner Rennstalls war der kollektive Kampf gegen die Uhr nie. Nur zwei Mal bereiteten sich die neun Fahrer auf diese Aufgabe vor: in der Vorwoche auf der 67,5 Kilometer langen Wettkampf-Strecke von Tours nach Blois und Mitte Juni in der Nähe von Bonn. Ein ähnlich perfektes Zusammenspiel der Fahrer wie im Team Discovery Channel ist das Maß aller Dinge. Auf dem Weg zu seinen letzten Gesamtsiegen war das Mannschaftszeitfahren für Armstrong ein wichtiges Mosaiksteinchen. Der Vorteil: Schon vor den Bergen hatte er sich von den Klassement-Favoriten abgesetzt. Zudem war der psychologische Effekt immens. Der Erfolg im Kollektiv schweißte für die weiteren Aufgaben zusammen.
Einen ähnlichen Rückenwind wünscht sich auch Jan Ullrich. Doch dazu ist eine deutliche Leistungssteigerung vonnöten. Im vergangenen Jahr kam sein Team nach Stürzen und Defekten am Ende einer ähnlich langen Etappe wie in diesem Jahr 1:19 Minuten hinter der Armstrong-Mannschaft ins Ziel, profitierte aber von der neu eingeführten Zeitregel, die den Rückstand auf 40 Sekunden für den Viertplatzierten verkürzte.
Neben dem amerikanischen Team Discovery Channel gilt der dänische Rennstall CSC als Favorit. Beide Mannschaften brillierten bereits beim Einzelzeitfahren zum Tourauftakt und gehen deshalb zuletzt auf die Strecke. Das Privileg des letzten Starters hat das Riis-Team. Der gute Auftakt in die 92. Grande Boucle ist für den Berliner Jens Voigt (CSC) jedoch keine Garantie für einen ähnlichen Erfolg: «Im letzten Jahr sind wir einen Super-Prolog gefahren und im Teamzeitfahren nur Fünfter geworden.»
Hans-Michael Holczer teilt diese Skepsis von Voigt nicht: «Discovery Channel und CSC werden das Rennen unter sich ausmachen. Danach folgen acht in etwa gleichwertige Mannschaften.» Liebend gern würde der Manager vom Team Gerolsteiner es sehen, wenn seine Fahrer am Ende des prestigeträchtigen Wettbewerbs vor denen in den Magenta farbenen Trikots in Blois ankämen. Ganz auszuschließen ist das nicht: Beim Mannschaftszeitfahren der Pro-Tour in Eindhoven vor drei Wochen dominierten die Gerolsteiner als Sieger. Allerdings trat damals kein Team in Tour-Besetzung an.
Besonders beliebt ist der Wettbewerb bei den meisten Fahrern nicht. Im Kreise seiner Mitstreiter will sich niemand gern eine Blöße geben und womöglich für einen Rückschlag seines Kapitäns verantwortlich gemacht werden. Zudem drohen folgenschwere Stürze: Im vergangenen Jahr kamen bei schwierigen Bedingungen im Dauerregen nur zwei Teams (US-Postal, Euskaltel) mit allen neun Fahrern ins Ziel.