Aigle (dpa) - Im Fall Astana steht der Weltverband UCI auf dem Prüfstand. Die mit der Wahl des Präsidenten Brian Cookson im September 2013 postulierte neue Strenge im Anti-Doping-Kampf muss den Praxistest bestehen.
Bis kommenden Mittwoch soll die Lizenz-Kommission entscheiden, ob das umstrittene Astana-Team aus Kasachstan mit Tour-Sieger Vincenzo Nibali an der Spitze auch 2015 in der Eliteliga WorldTour fahren darf.
Fünf bekanntgewordene Dopingfälle innerhalb von drei Monaten, die belastete Vergangenheit des Team-Managers Alexander Winokurow und dessen Umgang mit den Themen Doping und Bestechung sprechen eindeutig dagegen.
«Ich hoffe, sie bekommen keine Lizenz. Das wäre das richtige Zeichen. Sollte es bei der UCI einen Ermessensspielraum geben, würde ich mich freuen, wenn sie 'Nein' sagen», erklärte Ex-Doper und Kronzeuge Jörg Jaksche der Deutschen Presse-Agentur. «Die Ärzte, die zu meiner Zeit bei CSC gedopt haben, sind jetzt zum Teil bei Astana - da ist doch klar, was passiert», sagte Jaksche, für den Winokurow «die schlimmste Figur des Radsports» darstellt.
Im Fall des Lizenz-Entzugs hat Astana bereits mit juristischen Schritten gedroht und sieht sich dabei wohl nicht auf verlorenem Posten. Der Internationale Sportgerichtshof CAS hatte dem Katusha-Team 2013 Recht gegeben, nachdem die Russen gegen die Lizenz-Verweigerung aus ethischen Bedenken geklagt hatten. Bereits am 6. November war Winokurow in Begleitung eines Anwalts zum Rapport bei der UCI erschienen.
Falls Astana als ProContinental-Team zurückgestuft würde, wäre das von den führenden Wirtschaftsunternehmen des Landes finanzierte Team des Tour-Siegers bei großen Rennen auf Wildcards angewiesen. Nibali, der sich Ende 2012 trotz Winokurows Vorgeschichte als Blutdoper für Astana entschieden hatte, ist in der Zwickmühle. Nach einem möglichen Lizenz-Entzug dürfte es selbst für ihn unmöglich sein, auf die Schnelle ein neues Team zu finden, das die geschätzten Jahreseinkünfte des Sizilianers von rund fünf Millionen Euro sicherstellen würde.
«Das könnte eine wirtschaftliche Katastrophe für ihn werden», vermutet Jörg Werner. Der Manager der deutschen Topstars Tony Martin, Marcel Kittel und John Degenkolb - die letzten beiden fahren 2015 mit Giant-Alpecin unter deutscher Lizenz - würde eine Verweigerung der Fahrerlaubnis auf höchster Ebene auch als «gutes Signal» werten. Werner glaubt aber nicht so recht daran. Die UCI werde genau hingucken und sicher auch die besondere Situation des Toursiegers Nibali bedenken. «Jeder sieht, dass in diesem Team etwas nicht stimmt», sagte Werner weiter. Er warne aber vor «Sippenhaft».
Bei Astana wird fein unterschieden zwischen dem WorldTour-Team, in dem bisher die Iglinskye-Brüder Doping-auffällig (EPO) geworden waren und dem inzwischen geschlossenen Continental-Team. Dort waren Ilja Dawidenok, Viktor Okischew and Artur Fedossejew positiv auf Steroide getestet worden. Beide Formationen wurden bisher zumindest aus derselben Geldquelle gespeist.
Bei der vergangenen Tour de France in St. Etienne auf Doping angesprochen, hatte Winokurow seine Unschuldsmiene aufgesetzt und erklärt: «Wieso Doping? Das ist vorbei. Die Seite ist längst umgeschlagen. Der Radsport hat sich in den letzten Jahren geändert, transparenter, ehrlicher. Wir verfolgen eine strikte Anti-Doping-Politik.»