Vielha (dpa) - Die Tour de France soll der verletzten Seele der französischen Sportfans Linderung verschaffen. Zidane musste sich die Titelseite der «L'Équipe» bereits mit dem zuvor nahezu unbekannten Cyrille Dessel teilen, den die Zeitung als «Gelben Franzosen des Glücks» feierte.
Unter dem jubelnden Nobody des Radsports, der als Spitzenreiter das «Maillot Jaune» zwei Jahre nach Thomas Voeckler wieder nach Hause holte, schaut der zurückgetretene Mannschafts-Kapitän der französischen Fußball- Nationalmannschaft sehr traurig drein.
Die «neue» Tour ohne Topfahrer und mit Aufbruchstimmung im Kampf gegen Doping lässt die Grande Nation wieder hoffen. Die Klage des «Radsports der zwei Geschwindigkeiten» - wegen unterschiedlicher Anti-Doping-Handhabung wähnten sich die Franzosen ständig im Nachteil - scheint langsam zu verhallen. Die Etappensiege von Jimmy Caspar in Straßburg und Sylvain Calzati in Lorient sowie das in Pau errungene Gelbe Trikot von Dessel machen die Gastgeber stolz.
Im Peleton ohne Patron herrschte auf der ersten Pyrenäen-Etappe auf dem Weg nach Pau ein bisschen Anarchie. Der 31-jährige Dessel, bisher mit einem Etappensieg bei der Mittelmeer-Rundfahrt in Erscheinung getreten, nahm den Etablierten über sieben Minuten ab. Noch träumen die Gastgeber, die so lange Jahre hinterher fuhren, nicht wirklich vom ersten einheimischen Toursieger seit Bernard Hinault (1985). Aber die Chancen scheinen langsam zu steigen.
Der fünffache Toursieger Miguel Indurain, beim Tour-Abstecher in Spanien an seine frühere Wirkungsstätte zurückgekehrt, vermisst «die großen Namen». Hans-Michael Holczer, Manager des Gerolsteiner-Teams, fehlen klare Richtlinien: «Noch hat die Tour keine Struktur. Für uns sportliche Leiter ist das mental jetzt besonders aufreibend, weil es zu viele Möglichkeiten gibt, die im Rennen zu bedenken sind.»
An den Ausreißern vom Mittwoch, Dessel und dem vor der «Königsetappe» zweitplatzierten Spanier Juan Miguel Mercado vom Zweitliga-Team Agritubel aus Frankreich, «werden sich die Topfavoriten vielleicht noch lang die Zähne ausbeißen. Ich glaube, erst in L'Alpe d'Huez wird man wissen, wer die Tour gewinnen kann», sagte Holczer einen Tag vor dem französischen Nationalfeiertag.