Almeria/Berlin (dpa) - Lance Armstrong stichelt, Jan Ullrich wiegelt ab. Auch wenn das Schaulaufen der beiden Tour-Stars bei der Murcia-Rundfahrt noch keine großen sportlichen Rückschlüsse zulassen wird - zumindest das Zeitfahren über 21,3 Kilometer am 2. Tag verspricht Spannung.
Zumal ein weiteres «Duell» vor der am 3. Juli in Lüttich beginnenden Tour de France wohl nicht mehr stattfinden wird. Armstrong, der Ullrich für die Tour Hierarchie-Probleme in dessen stark besetzten Team prophezeite und mit dem möglicherweise bevorstehenden eigenen Rücktritt kokettierte, ist dabei der Top-Favorit. Der Olympiasieger wolle beim Kampf gegen die Uhr in Lorca «vor allem seine neue Zeitfahr-Maschine zum ersten Mal im Wettkampf testen», erklärte T-Mobile-Teamchef Mario Kummer. Mit Prestige hätte der Ausgang des Zeitfahrens nichts zu tun, sagte Ullrich-Betreuer Rudy Pevenage: «Prestige kommt später.»
In einem Interview der «L'Équipe» teilte Armstrong in Richtung Ullrich wieder aus: «Es ist sinnlos, ein Team zu haben, in dem Neun die Tour gewinnen können. Man braucht einen starken Leader und acht Mann, die alles für ihn geben.» Die nächste Tour werde in den Bergen entschieden, und dort wähnt sich Armstrong im besseren Team: «Wir haben Rubiera, Beltran, Azevedo und Hincapie. Ich sehe nicht, wen T-Mobile dagegen antreten lassen will. Sie haben große Namen, große Gehälter, aber auf der Straße im Juli - nur da zählt es.»
Ullrich, der in Almeria über 187 km einen ruhigen Saisoneinstand gab und mit dem Hauptfeld hinter einer weit enteilten Spitzengruppe ins Ziel rollte, wurde nicht müde, das frühe Treffen mit dem Seriensieger aus Texas herunter zu spielen: «Ich habe keine Ambitionen, mich im Vorderfeld zu zeigen oder gar zu gewinnen. Ich trete an, um die Rennkilometer zu sammeln, die ich brauche, wenn ich im Juli siegen will. Dass Lance und ich aufeinander treffen, ist nicht von Bedeutung. Wo wir am Ende platziert sind, hat keine Aussagekraft für den weiteren Saisonverlauf.»
Der zweifache Zeitfahr-Weltmeister Ullrich und Armstrong starteten jeweils früher als im vergangenen Jahr in die Saison. Bei seinem Debüt bei der Algarve-Rundfahrt vor 14 Tagen trumpfte der fünffache Toursieger, der im Juli als erster Radprofi den sechsten Sieg anpeilt, mit einem Erfolg im Zeitfahren auf. Danach konnte es sich der als verbissener Ehrgeizling bekannte Armstrong («verlieren ist wie sterben») leisten, den Gesamtsieg seinem Team-Kollegen Floyd Landis zu überlassen.
Die weiteren Stationen Ullrichs nach der fünftägigen Murcia-Tour werden noch nicht genannt. «Mal sehen, wie es läuft. Wir haben da einige Optionen», sagte Kummer. Auf jeden Fall steht wieder der Circuit de la Sarthe, bei dem der Olympiasieger 2003 in die Saison einstieg, ab 6. April auf seinem Vorbereitungs-Plan. Armstrong, der für einen Sponsor in einem Fernseh-Spot als schlagstarker Box-Profi posierte, bleibt den März über in Europa. Er plant einen Start beim Weltcup-Auftakt Mailand - San Remo am 20. März und will dann im April in den USA trainieren und zwei kleine Rundfahrten bestreiten.