Guéret (dpa) - Der Respekt war groß, die erste Erfahrung ernüchternd. Nach einer wilden Hatz des Fahrerfeldes durch Frankreichs Norden und Westen mit Dauerregen, Stürzen und Verletzungen sehnt Tour-Neuling Fabian Wegmann die Berge herbei.
Bei den Anstiegen der anspruchsvollen 10. Etappe durch das Zentralmassiv soll der Spaß am Radfahren zurückkehren. Denn einige Erfahrungen hätte sich der jüngste deutsche Teilnehmer der Rundfahrt vom Team Gerolsteiner liebend gern erspart: «Dass die Tour kein Kindergeburtstag ist, war mir vorher klar. Aber es wird viel rücksichtsloser gefahren als bei allen anderen Rennen.»
Von der Euphorie und der Unbekümmertheit beim Giro d'Italia im Mai, als Wegmann mit dem Gewinn des Grünen Trikots für den besten Bergfahrer alle Erwartungen übertraf, ist wenig geblieben. Vor allem die Bilder von verbogenen Fahrrädern und lädierten Mitstreitern stimmten den 24-Jährigen nachdenklich. Den Blick in das blutverschmierte Gesicht seines Teamkollegen René Haselbacher, der nach einem Sturz in Angers mit Rippenbrüchen und einem Nasenbeinbruch in die Intensivstation eines Krankenhauses eingeliefert werden musste, wird Wegmann so schnell nicht vergessen: «Da hatte ich einen kleinen Schock und wirklich Angst.»
Auch die folgenden Etappen durch die Bretagne kamen einer Tour-Lektion im Schnelldurchlauf gleich. Wind, Nässe und ein Sturz auf den Asphalt trieben Wegmann an die Grenze der Belastbarheit. «Wenn man gesehen hat, wie hoch sich die Fahrer mitunter gestapelt haben, fragt man sich, wie die da wieder lebend rausgekommen sind», klagte der Wahl-Freiburger aus Münster. Den im Vergleich zu anderen Radrennen besonderen Charakter der Tour bekam er tagtäglich zu spüren: «Oft habe ich nur mit dem Kopf geschüttelt und mich gefragt, wie schnell die eigentlich noch fahren wollen.»
Doch die nahen Berge schüren die Hoffnung auf bessere Zeiten. Darauf, dass die Nervosität im Fahrerfeld merklich nachlässt und die Zeiten unfallträchtiger Massensprints vorerst vorbei sind. Und darauf, dass sich die Sonne in Südfrankreich nicht länger hinter grauen Wolken versteckt. «Im Regen habe ich mich oft so gefühlt, als ob bei mir jemand den Stecker rausgezogen hätte», bekennt Wegmann.
An einen vorzeitigen Ausstieg aus seiner ersten Tour hat er bisher dennoch keinen Gedanken verschwendet. Dabei würde es niemand übel nehmen, wenn der für den Verletzten Markus Zberg ins Team gerückte Wegmann entkräftet vom Rad steigen würde. «Er hat keinerlei Druck und kann jederzeit selbst entscheiden, ob es noch geht oder nicht», sagte Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer. «Wir passen auf, dass er nicht überdreht», meinte sein Sportlicher Leiter Christian Henn.
Aber so schnell mag Wegmann nicht klein beigeben. Dem letztjährigen Tour-Zwölften Georg Totschnig will er in den Bergen das ein oder andere Mal als Helfer zur Seite stehen. Und noch etwas lässt ihn die Strapazen der «Höllentour» leichter ertragen: «Ich habe noch einen Traum. Ich möchte einmal nach Alpe d'Huez hochfahren. Und wenn ich erst mal da bin, kann ich auch gleich bis Paris durchfahren.»