London (dpa) - Obwohl die Tour de France am Wochenende erstmals in London gestartet ist, mussten britische Radsportfans in den Nachrichtensendungen lange warten, ehe sie darüber etwas erfuhren.
Die Tennis-Endspiele in Wimbledon und das Formel-1-Rennen in Silverstone waren den Fernsehmachern wichtiger. Trotzdem säumten Millionen Engländer den Streckenrand und trotzten damit der Terrorgefahr, die eine Woche nach den missglückten Autobombenanschlägen in Glasgow und London über dem Land liegt.
Bereits in den frühen Morgenstunden rückten die ersten Zuschauer vor dem Buckingham Palast mit Klappstuhl, Kühltasche und Picknick- Decke an, um sich die besten Plätze zu sichern. Dicht gedrängt in Sechser-Reihen standen sie entlang des 7,9 Kilometer langen Stadtkurses, dem offiziellen Prolog. Die meisten hatten neben einem Stadtplan, auf dem der Streckenverlauf eingezeichnet war, auch noch die nötigen Tipps der Experten zur Hand.
«Ihr werdet keine Ahnung haben, was da abgeht, aber seid ganz entspannt. Betrachtet es als netten Ausflug und macht Picknick», hatte der Tour-Experte der Tageszeitung «Daily Mail» den weniger radsportbegeisterten Briten mit auf den Weg gegeben. Spätestens die Formulierung «Eure Kinder werden ihre helle Freude haben, rum zu rennen und die kostenlosen Papierhütchen einzusammeln, die von spärlich bekleideten Frauen verteilt werden» dürfte Väter und Mütter gleichermaßen überzeugt haben.
«Es ist die größte Radsportveranstaltung der Welt und ein Familiensport. Für mich gab es keinen Grund, die Familie nicht mitzubringen», sagte Dominic Harrison, der mit seinen Söhnen Edward (9) und Richard (7) im Londoner Hyde Park auf großen Leinwänden die Übertragung verfolgte. Etwas verwundert nahm er zur Kenntnis, dass die Sandwiches nicht mit «cheese», sondern «fromage» belegt waren und auf den Absperrungen «public access interdit» stand. In der aufgebauten Zeltstadt gab es sogar einen französischen Briefkasten.
Für Scotland Yard bedeutete das «schlimmste Wochenende des Jahres» Schwerstarbeit. Nach der Terrorwarnung der vergangenen Woche wurde jeder Beamte gebraucht, um bestmögliche Sicherheit zu garantieren. Zumal in London mit Wimbledon und dem Live-Earth-Konzert im ausverkauften Wembley-Stadion zwei weitere Weltereignisse stattfanden und Sondereinheiten auch zum Formel-1-Rennen nach Silverstone abkommandiert waren. Der zuständige Kommissar Tarique Ghaffur wertete den Polizei-Einsatz als «bedeutsamen Erfolg».
Londons Bürgermeister Ken Livingstone, der sich den Tour-Start angeblich 2,2 Millionen Euro kosten ließ, wollte mit den parallel stattfindenden Sportereignissen Erfahrungen im Hinblick auf Olympia 2012 sammeln. «Hat jemals jemand behauptet, dies würde kein Erfolg», fragte er sichtlich zufrieden in die Runde. Und der Leiter der Verkehrsbetriebe Peter Hendy frohlockte: «Das ist brillant. Wir sollten es wieder tun.» Vermutlich hatte er an dem Tag weder in der völlig überfüllten U-Bahn noch einem im Verkehrschaos fest sitzenden Bus gesessen.