Hannover (dpa) - Für Tour-de-France-Fans brechen neue Zeiten an. Nach der letztjährigen Abschieds-Tour zeigen ARD und ZDF erstmals seit vielen Jahren keine Live-Bilder vom wichtigsten Radrennen der Welt.
Nach langen Diskussionen haben sich die beiden öffentlich-rechtlichen Sender endgültig aus der Berichterstattung von der Frankreich-Schleife zurückgezogen und damit eine TV-Ära beendet. Die Liebhaber der Tour müssen nun komplett auf den Spartensender Eurosport ausweichen, der mehr als 80 Stunden live zeigt.
«Es ist nach wie vor eines der größten Sportereignisses der Welt, aber das Zuschauerinteresse ist drastisch zurückgegangen», sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Die Zeiten der hohen Quoten aus der Jan-Ullrich-Ära sind längst vorbei. Die anhaltenden Doping-Enthüllungen und die wenigen deutschen Erfolge haben ihre Wirkung hinterlassen.
Von den Radfahrern gibt es für den Tour-Ausstieg natürlich Kritik. Zuletzt schimpfte Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin via «Sport Bild»: «Für mich ist das eine Frechheit. Es wäre die Pflicht der öffentlich-rechtlichen Sender, den Wünschen der breiten Masse zu entsprechen.»
In den Hoch-Zeiten des später gestrauchelten Radsport-Helden Ullrich gab es tatsächlich ein breites Interesse, die Sender verzeichneten pro Etappe mehr als drei Millionen Zuschauer und durchschnittliche Marktanteile von fast 30 Prozent. Zuletzt war es nur noch ein Drittel. Es gibt allerdings auch andere Sportarten, die trotz ähnlicher Werte weiterhin gezeigt werden. Die Leichtathletik-EM kam beispielsweise am Mittwoch auf 1,16 Millionen Zuschauer und einen Marktanteil von 7,3 Prozent.
Im Vorjahr hatten ARD und ZDF noch abwechselnd von allen Etappen der Tour berichtet, meistens anderthalb Stunden lang. Die Verträge mit dem Veranstalter ASO ließen den Sendern keine andere Chance, obwohl sie gerne eher ausgestiegen wären.
ARD und ZDF besitzen jetzt nur noch Nachverwertungsrechte. «Es gibt kurze nachrichtliche Stücke je nach Wertigkeit», erklärte Balkausky. Ein Zurück zu langen Live-Strecken werde es in absehbarer Zeit nicht geben, auch nicht wenn der mäkelnde Martin in Gelb fahren sollte. «Wir werden schauen, wie sich die Tour in Zukunft entwickelt», sagte der ARD-Sportkoordinator.
Beendet ist damit ein teilweise kurioses Kapitel deutscher Sport-TV-Geschichte. In den erfolgreichen Jahren ließen die Sender die Radsport-Helden hoch leben, zeigten eine manchmal anbiedernde Nähe. Vor allem die ARD wurde wegen ihrer Zusammenarbeit mit dem Team Telekom und eines Vertrages mit Jan Ullrich kritisiert. 2007 stiegen ARD und ZDF dann nach etlichen Dopingskandalen sogar während der Frankreich-Rundfahrt aus, mussten aufgrund bestehender Verträge allerdings ein Jahr später wieder senden. Ein missglücktes Intermezzo gab damals vor fünf Jahren der Privatsender Sat.1.
Jetzt hat Eurosport hierzulande ein Tour-Monopol. Der Spartensender zeigt nach eigenen Angaben insgesamt mehr als 150 Stunden, davon rund 80 Stunden live. Als Kommentatoren sind Karsten Migels, Jean-Claude Leclercq und Ron Ringguth im Einsatz. Dass die Berührungsängste wegen der Doping-Problematik geringer als bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ist, lässt sich auch daran erkennen, dass Jan Ullrich als Blogger für die Internet-Seite des Senders arbeitet.