Valkenburg (dpa) - Judith Arndt kämpfte gegen die Freudentränen und war schlichtweg sprachlos. «Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll», stammelte die Leipzigerin nach ihrem famosen Zeitfahrsieg bei der Weltmeisterschaft in Valkenburg.
Das dritte WM-Gold auf der Straße und zugleich die Titelverteidigung versüßten ihr den nahenden Abschied, die beeindruckenden 33 Sekunden Vorsprung auf Evely Stevens aus den USA schien sie zunächst kaum zu glauben. «Ich wusste im Ziel nicht, ob ich gewonnen habe», erzählte die 36-Jährige nach ihrem vorletzten Karriererennen. «Ich bin so stolz», jubelte Arndt. Bronze holte sich Linda Villumsen aus Neuseeland.
Um 16:12 Uhr war sie in Eijsden zum Zeitfahr-Abschied von der Rampe gerollt. 32:26 Minuten später war sie im Ziel und wurde von ihrer glückstrahlenden australischen Freundin Anna Wilson umarmt. Hinterher wurde Arndt gefragt, was sie zu ihrer Partnerin im Moment des Erfolgs gesagt habe. «Mit einem Puls von 180 kann man nicht viel reden», meinte Arndt. «Aber ich bin ihr sehr dankbar.»
Am Samstag nach dem Straßenrennen zieht sie einen Schlussstrich unter ihre erfolgreiche Karriere. «Mir geht langsam die Puste aus», flachste sie. «Ich einer Woche bin ich ein anderer Mensch. Ich will kein Drama machen - es wird kein Abschiedsrennen geben», sagte die Olympiazweite im Zeitfahren, die im kommenden Jahr in Melbourne mit einem Soziologie- und Kulturwissenschafts-Studium beginnen will. «Ich hatte keine Lust mehr auf diesen Druck. Ich wollte mich nicht mehr jeden Tag quälen», sagte die Straßen-Weltmeisterin von 2004.
Ohne Kristin Armstrong (USA), die nach ihrem Olympiasieg in London zurückgetreten war, war der Weg für Arndt auf dem schweren WM-Kurs frei. Die Leipzigerin, die im deutschen Frauen-Radsport eine große Lücke hinterlassen wird, war in allen Zwischenzeiten vorne. Sie ließ sich auch nicht vom unangenehmen 1,2 Kilometer langen Schlussanstieg auf den Cauberg schocken. Dass es für Gold reichen würde, wusste sie zu dem Zeitpunkt aber nicht, weil sie ohne Funk fuhr. «Ein Zuschauer rief mir zu, dass ich mit einer halben Minute führe», berichtete sie.
Ob das stimmte, wusste sie freilich nicht. «Es war ein sehr schnelles Rennen. Wir hatten Rückenwind und ich war ruckzuck in Valkenburg», erzählte Arndt. Am Samstag will sie im Straßenrennen mit ihren Teamkolleginnen noch einmal angreifen. «Aber wir sind nicht die Topfavoriten. Eigentlich ist Marianne Vos unschlagbar», sagte Arndt. Die Niederländerin hatte in London Olympia-Gold gewonnen.
Neben ihren vielen sportlichen Erfolgen bleibt beim Namen Arndt vor allem ihr umstrittener Auftritt bei den Olympischen Spielen 2004 haften. Als sie in Athen im Straßenrennen als Zweite über den Zielstrich gerollt war, hatte sie den deutschen Funktionären aus Verärgerung den ausgestreckten Mittelfinger gezeigt. Die Verbands-Offiziellen hatten damals Arndt frühere Lebenspartnerin Petra Roßner nicht nominiert und damit nach Arndts Ansicht eine sichere Medaille verschenkt.
Hanka Kupfernagels angekündigte Initiative, nach ihrer guten Vorstellung im Teamzeitfahren noch ins dreiköpfige Aufgebot des Bundes Deutscher Radfahrer für das Einzelzeitfahren rutschen zu wollen, lief ins Leere. Ina-Yoko Teutenberg, die zugunsten Kupfernagels auf ihr Startrecht hätte verzichten müssen, belegte Rang sechs. Zum WM-Auftakt hatte die Düsseldorferin mit ihrem Team Lululemon Gold geholt. Trixi Worrack (Cottbus) wurde Achte.