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17.10.2001 20:26
Thomas Liese greift Stundenweltrekord an
NÜRNBERGER-Profi Thomas Liese stellt sich am Wochenende einer ganz
besonderen Herausforderung. Der 33-jährige Erfolgsgarant im Team der
Nürnberger Versicherungsgruppe will am kommenden Samstagmorgen um 10.30 Uhr im Berliner Velodrom den Stundenweltrekord attackieren. Die aktuelle Rekordmarke steht seit dem 27. Oktober 2000 bei 49,441 Kilometern und wurde vom Briten Chris Boardman während der Bahn-Weltmeisterschaft in Manchester erzielt.
Thomas Liese, amtierender Deutscher Meister im Einzelzeitfahren, will sich einen Jugendtraum erfüllen. „Noch nie hat ein deutscher Rennfahrer diesen Prestige-Rekord geholt“, so Liese. „Seit 1988 denke ich darüber nach.
Im DDR-Radsport war für solch ein Vorhaben allerdings kein Platz, wir
sollten Medaillen auf der Bahn bei WM und Olympia gewinnen.
Der Zeitfahrspezialist müsste knapp 200 Runden auf dem schnellen Holz der 250 Meter langen Runde des Velodroms zurücklegen, wenn das Vorhaben
gelingen soll. Hierzu hat Liese ein Team um sich geschart, das ihn in der
Vorbereitung auf die Rekordjagd unterstützen sollen. Von NÜRNBERGER-Teammanager Udo Sprenger und dem 2. Sportlichen Leiter Bert Dietz angefangen bis hin zu Bahnbundestrainer Bernd Dittert, Trainingsmethodiker Professor Dietmar Junker von der Leipziger Universum-Akademie und der Sportmedizinerin Denise Demir (Schüchtermann-Klinik/ Bad Rothenfelde) – alle arbeiten intensiv am „Projekt Stundenweltrekord“.
„Ich brauche einen guten Tag, dann ist alles möglich“, so Liese, der seine Erfolgschancen mit 50:50 beziffert. „Läuft es am Samstagmorgen nicht, dann geht die Welt auch nicht unter. Ich habe Respekt vor jedem Fahrer, der diesen Rekord in Angriff nimmt.“ Groß ist der Kreis derer, die in der Vergangenheit einen Versuch starteten. So wagte sich unlängst der Spanier Abraham Olano in diesem Jahr rund 10 Tage nach Beendigung des „Giro d’Italia “ an die Bestmarke heran – leider ohne Erfolg. Der Weltklasserennfahrer lag auf Rekordkurs, musste jedoch nach 20 Minuten die rasante Fahrt beenden, da
ihm nach eigenen Angaben die „Frische“ gefehlt hatte.
Aber auch Thomas Liese stellte sein persönliches Leistungsvermögen
schon einmal inoffiziell auf die Probe. Er versuchte sich ohne Vorbereitungen in einer kalten Halle in Frankfurt/Oder im vergangenen Jahr „mehr aus Spaß“ (Liese) an die Bestmarke heran. Dabei fuhr er bei diesen ungünstigen Umständen eine hervorragende Distanz von 48,200 Kilometern in der vorgeschriebenen Zeit von 60 Minuten. „Da konnte ich mich zwei Tage lang nicht richtig bewegen“, so der Leipziger über die Strapazen während und vor allem nach dem „Versuch“. „Da kann man die Schmerzen erahnen, die ein
solcher Versuch mit sich ringt..."
Seit dem der Radsport-Weltverband UCI mit dem Beginn des Vorjahres der
Materialschlacht um die immer futuristischer gebauten Spezialmaschinen einen
Riegel vorgeschoben hat, dürfen Rekorde im Zeitfahren nur noch mit herkömmlichen „klassischen“ Fahrrädern erzielt werden. Vor dem aktuellen
Rekord von Boardman hatte Tour-de-France-Legende Eddy Merckx mit einem
solchen Rad am 25. Oktober 1972 in Mexiko-City 49,432 Kilometer erzielt.
Diese Leistung wurde als gültiger Weltrekord festgeschrieben, alles andere danach nur noch als „Weltbestleistung“ in der Statistik geführt. Boardman konnte diese Bestmarke lediglich um neun (!) Meter steigern. „Daran sieht man wie eng es bei dem Kampf um die Bestmarke zugeht“, so NÜRNBERGER-Teammanager Udo Sprenger. „Wir versuchen die optimalen
Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich Thomas nur auf seine Fahrt
konzentrieren kann. Es waren einige Dinge im Vorfeld mit dem Weltverband
abzustimmen. So mussten wir zum Beispiel das Bahnrad, mit dem der Versuch gestartet wird, bei der UCI vorzeigen. Erst nach einer technischen Abnahme erhält man die Genehmigung zum Start.“
Die neuen Bestimmungen der UCI mit der Rückkehr zu den traditionellen
Modellen kommen Thomas Liese entgegen. „Gerade dieser Beschluss hat mir Mut gemacht, einen solchen Versuch ins Auge zu fassen“, so Liese optimistisch.
„Der nicht mehr gewertete Rekord von Boardman mit einem Spezialrad liegt
seit 1994 bei unglaublichen 56,375 Kilometer. Das ist jenseits von gut und
böse..."
Nach 12-jähriger Abstinenz ist der NÜRNBERGER-Profi, der 1988 mit dem
DDR-Vierer auf der Bahn Weltmeister wurde, im vergangenen September wieder
auf die Bahn zurückgekehrt und hat auf Anhieb bei der Weltmeisterschaft in
der Einzelverfolgung Platz sechs belegt. Zu Beginn des Jahres fuhr er bei einer Überprüfung des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) in Frankfurt/Oder unter der Leitung von Bundesstrainer Bernd Dittert Weltjahresbestzeit in dieser Disziplin und beim Bahnweltcup im italienischen Pordenone besiegte er souverän die internationale Konkurrenz.
Thomas Liese gehört schon seit seinen ersten Auftritten im Trikot der
Nürnberger Versicherungsgruppe im Jahre 1999 zu den Erfolgsgaranten
innerhalb des Teams. Die laufende Radsportsaison 2001 zählt dabei zu den
erfolgreichsten in der langen Karriere des 33-jährigen Profis. Der
amtierende Deutsche Meister im Einzelzeitfahren und Vierte der Deutschen Straßenmeisterschaften konnte in diesem Jahr mehrere Etappenerfolge,
darunter Siege beim Einzelzeitfahren der „Internationalen Friedensfahrt“ und
bei der erstklassig besetzten italienischen Rundfahrt „Settimana Lombarda“, verbuchen. Bei internationalen Rundfahrten konnte der zweifache Sachsen-Tour-Gewinner (1998, 2000) immer wieder mit sehr guten Platzierungen aufwarten. U. a. schloss er die Friedensfahrt auf dem neunten Rang ab und bei der polnischen Rundfahrt „Solidarité Olympique“ stand er als Gesamtzweiter auf dem Treppchen. Eine Glanzleistung gelang dem Profi aus
Sangerhausen mit seinem langjährigen Freund und NÜRNBERGER-Teamkollegen Jens
Lehmann beim internationalen Paarzeitfahren in Karlsruhe. Gemeinsam mit dem mehrfachen Olympiasieger und Weltmeister überholte er die internationale Zeitfahrelite und musste sich am Ende in einem Sekunden-Finish lediglich dem französischen Duo Moreau / Brard vom Team Festina geschlagen geben.
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