Berlin (dpa) - Trotz scheinbar erdrückender Beweislast rechnet Rennstall-Chef Hans-Michael Holczer nicht mit einer Verurteilung seines italienischen Topfahrers Davide Rebellin.
«Es gibt keine neuen Fakten. Wegen der gleichen Vorwürfe, die im April 2003 in einem Sportgerichtsverfahren zu einem Freispruch geführt haben, wird jetzt in Padua zivilrechtlich verhandelt», erklärte Holczer, Manager beim hinter T-Mobile zweitgrößten deutschen Rennstall Gerolsteiner.
In der nächsten Verhandlung am 1. März 2005 will der Richter, der außer gegen Rebellin gegen 17 weitere italienische Radprofis wegen des Verdachts des Sportbetrugs verhandelt, entscheiden, ob die von der Anklage gelieferten Video-Beweise gegen Rebellin für eine mögliche Doping-Verurteilung herangezogen werden dürfen. «Vorher passiert nichts», meinte Holczer, der mit einem möglichen Urteil «in zwei bis drei Jahren» und weiter mit Rebellin als Spitzenfahrer rechnet.
Ginge Holczers Prophezeiung auf, könnte sich der Fall Rebellin im Falle eines Schuldspruchs für das Team Gerolsteiner ohnehin erledigt haben, weil eine Fortsetzung der Karriere des jetzt 33-Jährigen über diesen Zeitraum hinaus unrealistisch erscheint. Im von ihm für unwahrscheinlich gehaltenen Fall einer Verurteilung kündigte Holczer am Donnerstag allerdings an: «Dann gehe ich davon aus, dass wir uns über eine Vertragsauflösung unterhalten müssten.» Die Rebellin-Anwälte hätten dem Team-Manager mitgeteilt, dass «es keine Ansätze für eine Verurteilung» gebe.
In zwei heimlich von der Polizei angefertigten Video-Aufzeichnungen in der Praxis des umstrittenen Arztes Enrico Lazzaro (zusammen mit der Rebellin-Ehefrau Frau Salina) und in einem Hotelzimmer in Bassano beim Giro d'Italia 2001 soll der erfolgreiche Profi als Doping-Konsument zu sehen sein. Holczer bestätigte, dass der im Prozess genannte Arzt Giuliano Peruzzi, von dem Rebellin früher schon bei seinem Team Liquigas betreut wurde, auch bei Gerolsteiner «tageweise als Arzt» tätig gewesen sei.
Die italienische Sportzeitung «Gazzetta dello Sport» zitierte Peruzzi mit der Erklärung der Wirkungsweise eines Präparates, das auch anabole Wirkung habe. Die ärztliche Beratung hätte der ebenfalls angeklagte Rebellin-Freund und ehemalige Team-Kollege Mirco Marini erhalten.
«Ich bin völlig ruhig, ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen und hoffe nur, dass der Prozess bald beendet ist. Die Klassiker sind 2005 wieder mein Hauptziel», sagte Rebellin der «Gazzetta dello Sport» an seinem Urlaubsort in Curacao. Spätestens am 25. November wird der in Monte Carlo lebende Italiener, der mit zwei Klassiker-Siegen innerhalb einer Woche der Mann des Frühjahrs 2004 war, zurück erwartet. Dann präsentiert Gerolsteiner in Brühl bei Köln sein neues Team, dem Rebellin, der Neuling Levi Leipheimer (USA) und Danilo Hondo (Cottbus/Lugano) vorstehen.