Stuttgart (rad-net/dpa) - Das T-Mobile-Team orientiert sich offenbar zunehmend Richtung Amerika: Am Freitag gaben die Bonner, die seit dem Ullrich-Eklat im Juni 2006 ein engagiertes Anti-Doping-Programm auflegten, die Verpflichtung des langjährigen Armstrong-Helfers George Hincapie bekannt. Im selben Atemzug bekannte Team-Manager Bob Stapleton «starkes Interesse» an Erik Zabel, der am 24. Mai tränenreich Doping im damaligen Telekom-Team («Nur eine Woche EPO») zugegeben hatte. Beide Personalien stießen im Konzern - wie zu hören ist - nicht nur auf Wohlwollen.
Der umstrittene WM-Starter Zabel müsste für die Rückkehr nach Bonn allerdings noch seine Vertragslage beim Milram-Team klären. Die Bremer haben immer noch nicht klar dargelegt, wie sie nach den schweren Doping-Anschuldigungen gegen ihren italienischen Teamchef Gianluigi Stanga weitermachen. Eine Entscheidung wird in den kommenden Tagen erwartet.
Wahrscheinlich scheint, dass Milram auf den Vertrag pocht, der Zabel bis Ende 2008 bindet. Nach den Titelkämpfen trifft er sich mit der Milram-Chefetage. «Im Leben geht selten das in Erfüllung, was man sich wünscht», erklärte Zabel in Stuttgart etwas kryptisch.
«Wir wissen, dass ein Mann wie Zabel polarisiert und dass die Meinungen über ihn auseinander gehen. Aber damit muss man leben und dagegen abwägen, was er dem Team bringen kann. Wir finden, er würde gut zu uns passen», sagte Stapleton, der während der Tour de France in Etappensieger Linus Gerdemann, einen jungen, glaubhaften und erfolgreichen Vertreter der «neuen Generation», die sich klar zum Anti-Doping-Kurs positioniert, präsentieren konnte.
Der 34-jährige Hincapie habe sich für einen Wechsel zu T-Mobile schon interessiert, als Stapleton das Team im vorigen Jahr von Olaf Ludwig übernommen hatte. Die Routiniers Hincapie und Zabel sollen der jungen Mannschaft, die in dieser Saison Patrik Sinkewitz wegen Dopings und Sergej Gontschar wegen auffälliger Blutwerte entließ, als sportliche Stabilitäts-Faktoren dienen. Zabel bekäme besondere Führungs-Aufgaben für den hoffnungsvollen Sprinter Gerald Ciolek zugeteilt.
Die Personalie Hincapie birgt einige Brisanz: Als treuester Helfer des Seriensiegers Armstrong, dem nachträglich EPO-Doping aus dem Jahr 1999 nachgewiesen worden war, war der lange New Yorker fest eingebunden ins Erfolgs-System des Texaners und dessen Mentors Johan Bruyneel. Der Belgier steht jetzt auf dem Sprung, in Zukunft das umstrittene Astana-Team mit vier Dopingfällen in zwei Monaten zu leiten. Hincapie, der bei Armstrongs siebtem und letztem Toursieg 2005 als eigentlicher Klassiker-Spezialist sogar die Königsetappe der Tour gewann, war bei allen Siegen des Texaners in Frankreich dessen «Adjudant». In diesem Jahr diente er auch dem Doping verdächtigten Toursieger Alberto Contador als rechte Hand.
T-Mobile hat für die kommende Saison bisher zehn neue Profis verpflichtet. Zu den namhaftesten Fahrern neben Hincapie gehören der Schwede Thomas Lövqvist und der deutsche U23-Zeitfahrmeister Tony Martin aus Cottbus. Drei Plätze könnten noch besetzt werden - am liebsten einer davon durch Zabel, der die Bonner noch vor zwei Jahren im Groll verlassen hatte.